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Kritik. Würfelwelten
   Das Runde braucht das Eckige
 Von CHRISTOPH SCHLEWINSKI
Als Spieleautor zu Beginn einer Pandemie, seiner regelmäßigen Testrunden beraubt, guckt man bestimmt lange und traurig auf die eige- nen Spiele im Regal und träumt sich in die Zeit zurück, als man einfach überall
hingehen und testen konnte. Oder man macht das Beste draus, lässt sich von seinen eigenen Spielewelten inspi- rieren und testet via Video-
chat diverse Ideen.
So ungefähr ist Würfel-
welten entstanden. Jamey Stegmaier hat Spiele von sich und Veröffentlichun-
gen anderer Autoren aus seinem Verlag Stonemaier Games als Inspiration für ein sehr variables Würfel- spiel benutzt. Dabei ist es ihm gelungen, von jedem der verwürfelspielten Titel einen Hauch der ursprünglichen Idee durchschimmern
zu lassen.
Nicht alle diese Spielewelten sind in je-
der Partie dabei, lediglich neun von zwölf kommen zufällig auf den Tisch. Jede von ihnen funktioniert mit nur zwei sechsseiti- gen Würfeln. Nach dem beliebten Prinzip „Einer würfelt, alle machen was draus“ steht auf jeder Karte, was man mit den Zahlen anstellen kann.
Sterne sind dabei stets das Objekt der Begierde, denn Sterne sind Siegpunkte. Aber auch Kürbisse, Herzen und Münzen auf den Karten sind toll, denn damit kann man Sonderfähigkeiten freischalten: Zum Beispiel darf man so beide Würfelzahlen für eine Karte benutzen, was man sonst
nicht darf. Oder Zahlen verändern. Oder sich einen dritten Würfel herbeizaubern.
Eine Runde dauert neun Würfe, dann kommen die nächsten drei Welten. Das Ganze exerziert man drei Mal durch, wer dann die meisten Sterne hat, gewinnt. Wobei übriggebliebene Kürbisse, Herzen und Münzen noch je 0,1 Punkte bringen und man durchaus mit 15,7 zu 15,6 ge- winnen kann.
Manche Welten sind einfacher als an- dere zu verstehen, aber jede Welt hat in ihrer Einfachheit einen schönen An- spruch. Man arbeitet nur mit zwei Zahlen pro Wurf, doch zu überlegen, wie man diese optimal einsetzt, entwickelt überra- schenden Tiefgang. Nur: Tiefgang dauert. 30 Minuten, wie auf der Packung ange- geben, kann man vielleicht für das Solo- spiel ansetzen. Eine Partie mit vier Perso- nen kann schon mal 90 Minuten dauern. Besonders, wenn es die erste Partie ist. In meinen Testrunden hat das aber nieman- den abgeschreckt, weil jeder in Ruhe vor sich hin werkeln konnte.
Würfelwelten ist solitär, ja, und ein Fest für Optimierer und Tüftler. Die kön- nen eine Partie auch in die Länge ziehen. Ein freundlicher Fußstupser gegen das Schienbein hier und da wirkt manchmal Wunder. Trotzdem: Man ist in jeder Run- de aufs Neue fasziniert, wie viel man mit zwei Würfeln eigentlich machen kann, und Kürbisse, Herzen und Münzen richtig einzusetzen, ist mental schweißtreibend, aber trotzdem befriedigend.
Optisch ist alles eher ... nüchtern. Was aber im Laufe einer Partie immer weniger stört, denn so ist genug Platz fürs We- sentliche. Ansonsten ist die Qualität der Karten und der Stifte top, und es gibt so- gar kleine Abwischtüchlein. Purer Luxus.
Dazu erleben Vielspieler schöne Wieder- erkennungsmomente, wenn man bei den Spielewelten versteht, auf welches winzige Detail das Vorbildspiel reduziert wurde. Nerd-Freuden. Würfelwelten kann es in sich haben und ist deshalb nur für Freunde des anspruchsvollen Würfeln- und-Ankreuzen-Genres zu empfehlen – und dann auch nur denen, die über eine gute Sitzmuskulatur verfügen.
        Titel: Autor: Illustration:
Verlag: Personen: Alter: Dauer: Preis:
Würfelwelten
Jamey Stegmaier Miles Bensky, Marius Petrescu
Feuerland
1– 6
ab ca. 14 Jahren
ca. 30 Minuten
ca. 25 Euro
Kritiker
Christoph Schlewinski
L. U. Dikus
Spielreiz
7
8
Leichtgewicht mit riesiger Variabilität der Aufgabenverknüpfungen. Extra- punkt für bemerkenswerte Solo-Varian- te zu einem ohnehin rein solistischen Roll & Write.
Manuel Fritsch 7
Tolle Veredelung des kostenlosen Print- and-Play-Pandemiespiels. Besonders reizvoll für Stegmaier-Fans.
Maren Hoffmann 7
Großer Hirnverzwirbler im kleinen Format.
Marie Poenisch 5
Vor allem für Stonemaier-Fans. Neu- lingen in jeder Runde drei Welten zu erklären, macht nur begrenzt Spaß.
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      Fotos: Becker, Schlewinski
 























































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