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Kritik. 28
spielbox 39
Tour de Lissabon Von STEFAN DUCKSCH
Zu einem Lissabon-Ausflug gehört eine Straßenbahnfahrt. Die histori- sche Linie 28 kurvt durch kleinste
Altstadtstraßen, sodass man mit dem Arm die benachbarten Hauswände errei- chen kann. Oder man schaut der Fahrerin dabei zu, wie sie manuell eine Weiche umstellt.
Allerdings reicht das Netz der einen Li- nie nicht für ein Spiel aus. Deshalb wurde 28 auf einen großen Teil von Lissabon ausgeweitet, nun kann man auch am Torre de Belem oder anderen Sehenswür- digkeiten vorbeifahren. Dabei gilt es, Pas- sagiere in vier Farben einzusammeln und sie an der richtigen Stelle abzuliefern.
Dafür stehen pro Zug zwei von vier Aktionen zur Verfügung. Man darf mit der eigenen Bahn fahren, Passagiere ein- beziehungsweise aussteigen lassen oder Boni freischalten. Bezahlt wird dies alles mit Tickets in den vier Farben.
Es liegen stets vier Zielkarten aus, die besagen, wie viele Passagiere welcher Farbe zu welchem Ort gebracht werden wollen. Wer so einen Wettlauf gewinnen will, muss sich sputen. Zum Beispiel in- dem man innerhalb einer Aktion mehrere Karten einer Farbe ausspielt, die jeweils eine Bewegung der eigenen Tram erlau- ben. Erreicht man mit allen geforderten Fahrgästen an Bord die Station, gewinnt man die Karte und damit Punkte.
Um rechtzeitig die passenden Gäste an Haltestellen abholen zu können, sollte man die Kapazität seiner Tram bald aus- bauen. Als Gimmick gibt es noch eine Halli-Galli-Glocke. Wer sie läutet, darf beim Einsteigen zocken: Ein weiterer Pas- sagier wird aus dem Beutel gezogen. Hält man die entsprechende farbige Karte auf der Hand, steigt er mit ein. Hat man sie nicht, ist gleich der gesamte Zug zum Teufel. Merkwürdig.
Das Schienennetz ist nur einspurig, im Begegnungsverkehr schieben sich die Bahnen gegenseitig voreinander her, was ebenfalls durch Geklingel eingeläutet
wird. Wer so unfreiwillig durch Lissabon geschubst wird, bekommt zum Trost eine Karte. Das hört sich turbulent an, Planer wollen das aber nicht. Sie wollen über die vielen Extras weiter kommen: Vier Boni kann man gegen Abgabe von Karten für variablere Zugoptionen freischalten – ohne sie kann man nicht gewinnen. Außerdem bringen die halben Tickets am Rand der Zielkarten zusätzliche Punkte, wenn man sie richtig aneinanderlegt.
Nur scheinbar steckt in diesem bunten, familientauglichen Spiel genügend Va- rianz, um auch anspruchsvollere Spieler zu beschäftigen. Doch ist die Idee ver- standen, ist der Weg klar: Schnell Boni sammeln, kurze Wege finden, viele Kar- ten einsacken. Sehr schnell ist der Ziel- kartenstapel aufgebraucht, gerade dann, wenn man seine Linie so richtig ans Lau- fen gebracht hat – und das Spiel endet.
28 will mehr sein als ein Zwischen- durchspiel, aber die Steuerungs-Elemente schlagen nicht so richtig durch. So fühlen sich die Partien recht gleich, kurz und zu- fällig an – vor allem, wenn beim Auffül- len der Haltestellen mit neuen Fahrgäs- ten wieder nur Farben auftauchen, die man überhaupt nicht gebrauchen kann. Andersfarbige Leute darf man nun mal
nicht absetzen – so schön für sie ein Bum- mel durch Alfama auch
wäre.
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Verlag: Personen: Alter: Dauer: Preis:
28
Pedro Santos Silva André Fernandes Trindade
Heidelbär Games, Mebo 2 – 4
ab ca. 8 Jahren
ca. 60 Minuten
ca. 40 Euro
Kritiker
Stefan Ducksch
Udo Bartsch
Spielreiz
5
5
Die Ticket-Schlusswertung verheißt Planbarkeit, die das Spiel nicht einlöst.
Andreas Becker 5
Das Thema: wunderbar, vor allem für alle, die Lissabon mit Linie 28 schon einmal erkundet haben (eine ab- solute Empfehlung). Aber im Grunde ist es ein sehr, sehr konventionelles Passagiereinsammeln und -abliefern, überladen mit Detailregeln, was es echt sperrig macht.
Christwart Conrad 6
Hübsches Familienspiel mit Charme. Die Karten sollten sehr gut gemischt werden, denn sonst kann die differen- zierte Kopplung der Boni an unter- schiedliche Kartenfarben den Spieler abhängen, dem die Verdoppelung der Fahrgastplätze nicht gelingen will. Die Glocke kommt vor allem bei Kindern gut an.
Fotos: Becker, Ducksch, Mebo