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 Aktuell. Anno Domini Menschenrechte
 ... den Menschen,
die eines guten Willens sind?
Eine ganz kleine Geschichte, die ganz schön nachdenklich stimmt: Da arbeiten ein Autor und eine Menschenrechtsorganisation an einem gemeinsamen Quizspiel. Urs Hostettler und die Schweizer Sektion von Amnesty International wollen die seit Jahren unverwüstliche Anno-Domini-Reihe um eine Menschenrechte-Edition erweitern. Ein Joint Venture: gemeinsam Gutes schaffen. Nur, sie schaffen es nicht – wegen des Streits um ein anderes Recht: das Recht auf eine inklusive, diskriminierungsfreie Sprache.
Von FABIAN ZIEHE
heute, er habe schon damals, Ende März 2021, Zweifel an der Themensetzung ge- habt: Zu jedem historischen Ereignis gebe es ja immer eine Autorität und eine Grup- pe, an der sich diese Autorität vergehe. Dabei bietet eine Anno-Domini-Spiel- karte nur wenige Textzeilen für den Sach- verhalt. Wenig Platz für differenzierte Er- klärungen.
Andererseits: Für die Fans öffnete sich ein neues Themenfeld, es gäbe einen 28. Teil der Serie, und für die Ver- lage lockten neue Zielgruppen. Amnesty könnte das Thema Menschenrechte in den Fokus rücken – und für die eigene Arbeit ein paar Franken beziehungsweise Euro einnehmen. Und Hostettler konnte sich in eine neue Aufgabe stürzen. Eine Win-Win-Win-Situation. „Wir haben ein- fach mal losgelegt“, sagt er. Das war im
April 2021. Es wurde eine Herausforde- rung – alleine schon, weil bereits 11.000 Anno-Domini-Kärtchen existieren und Hostettler Dopplung vermeiden möchte. Und weil er Wert darauf legt, dass trotz der Kürze alles stimmt – so führt er peni- bel eine Online-Liste zu Fehlern oder Un- genauigkeiten auf den Kärtchen.
I Nicht reibungsfrei,
aber fruchtbar
Hostettler wie Meier sammelten also
Ideen für Kärtchen – nach Angaben Ho- stettler eher er, Meiers Zeitbudget war be- grenzt. Was okay gewesen sei. Meiers En- gagement sei auch so „gut und wichtig“ gewesen. „Sie achtete bei den Ereignissen nicht nur auf die nicht-diffamierenden Wörter und Formulierungen, sondern überprüfte auch, ob die Fragen und Er- eignisse zum Thema der Menschenrech- te passten, ob sie sich auf einen Artikel der UN-Menschenrechtskonvention be- zogen“, erklärt Hostettler. Man diskutier- te, verwarf, formulierte neu – eine nicht reibungsfreie, aber fruchtbare Arbeit. „Einige Differenzen blieben, wir verstan- den uns aber gut“, sagt Hostettler. 400 Ereignisse hatten sie zum Schluss, daraus wollten sie 340 extrahieren. Man war
kurz vor dem Testen mit Freunden und Verlagen. Und dann?
„Dann ist irgendwie die- ser Leitfaden herausgekom- men.“ Dieser Leitfaden?
Michelle Meier bestätigt, dass es diesen bei AI Schweiz mittlerweile gibt – er sei bei einer Mitgliederversamm- lungangeregtundaufder Jahresversammlung ver- abschiedet worden. Die 15 Seiten„Leitfadenfürinklusive
E
stettler hat auch etwas von einem Bären. Etwas Bedächtiges, Unverrückbares. Aber man sollte ihn auch nicht zu sehr reizen. Hostettler kann sauer werden. In dieser einen Sache ist er stinksauer. Und traurig.
Der 72-Jährige ist ein Tausendsassa, Mathematiker, eigentlich aber Folkmu- siker, Autor, Krimi-Event-Organisator – und Spieleautor. Er hat seit Anfang der 80er-Jahre Spiele veröffentlicht, darunter das populäre Tichu – und eben Anno Domini. Seit 1998 gibt es die Erfolgs- reihe: Es sind Quizspiele, bei denen man reihum immer ein weiteres historisches Ereignis in eine richtige Abfolge brin- gen muss – bis einer in der Runde diese Chronologie anzweifelt und die Aufgabe aufgelöst wird. Schnell erklärt, schnell ge- spielt: Das Quiz bringt Emotionen an den Tisch – und man lernt etwas. Gut zwei Dutzend dieser Quizspiele zu Themen wie „Sport“ und „Kunst“, aber auch zu „Bern“ oder „Sex & Crime“ gibt es. Vertrieben wird das Spiel in der Schweiz über den von Hostettler mitgegründeten Fata-Mor- gana-Verlag, in Deutschland von Abacusspiele und in Öster-
reich von Piatnik.
Nun also, Anfang 2021,
war die Schweizer Sektion
von Amnesty International
(AI) an Hostettler herangetreten, genauer Michelle Meier, die ver- antwortlich für Erwachsenen- bildung und didaktisches Material ist. Ein Anno Do-
mini „Menschenrechte“ wäre
doch toll. Hostettler sagt
r trägt den Bären in seinem Vorna- men wie seine Heimatstadt Bern das
Tier in ihrem Wappen. Und Urs Ho-
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Fotos: Abacusspiele, Amnesty International, Hostettler, Ziehe
Menschen- rechte
Menschenrechte




































































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