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Kritik. Mini Express
   Grobe Züg
Eine Landkarte mit Städten, auf denen Warenplättchen liegen, könnte darauf hindeuten, dass wieder einmal eine Logistikaufgabe – wie jüngst in Freie Fahrt – ansteht. Weit gefehlt, denn in Mini Express geht es um Einfluss auf vier sich in Europa beziehungsweise den USA ausbreitende Eisenbahngesellschaften.
Von CHRISTWART CONRAD
Wer am Zug ist, kann eine der vier Bahnlinien ver- zweigen, um eine weitere
Stadt anzuschließen. Das Plättchen dort steigert den Einfluss des aktiven Spielers um jeweils eine Stufe in den bei- den darauf angegebenen Branchen, die wiederum eins zu eins mit den Bahnge- sellschaften korrespondieren. Die weißen Züge stehen für Baumwolle; Stahl ist grau, Holz braun und Leder rot. Zugleich steigt der Wert der Zuglinie um eine Stufe pro bebautem Landschaftsfeld.
Alternativ zur Ausbreitung auf dem Plan investiert man in eine Aktiengesell- schaft zu einem an die Auslage gekoppel- ten Preis: Die zum Bau aktuell verfügba- ren Loks geben die Anzahl der Stufen an, um die der eigene Einfluss in eben dieser Gesellschaft sinkt. Anfangs, wenn bei jeder Gesellschaft vier Züge zum Bauen ausliegen, ist ein Anteilsschein unbezahl- bar, denn ein negativer Einfluss wird na- türlich nicht zugestanden.
Sobald von zwei Firmen keine Aktien mehr im Angebot ausliegen, neigt sich die Partie dem Ende entgegen. Für jede Aktie erhält man Siegpunkte nach zwei Parametern: dem Wert der Gesellschaft und dem eigenen relativen Einfluss auf der korrespondierenden Leiste. Zum Bei- spiel könnte der eine Investor mit drei Anteilen am Holzunternehmen pro Aktie drei Punkte erzielen, weil er den dritt- stärksten Einfluss dort ausübt. Damit stünde er sich aber immer noch besser als derjenige mit dem zweitgrößten Einfluss, dessen eine Aktie acht Punkte wert ist.
Man sieht, dass die Interessen sehr ver- zahnt sind. So fühlt es sich auch an, wenn man vor seiner Entscheidung steht. Gern will ich meinen Einfluss in Stahl und Le- der vergrößern. Eines der dazu passenden Plättchen ist mit der Baumwoll-Linie auch erreichbar. Dann werte ich aber zugleich diese Gesellschaft durch die Strecken- führung auf. Oder ich will vorrangig den Wert einer Bahnlinie steigern mit dem Ef- fekt, dass mein Sitznachfolger von eben dieser eine Aktie ganz billig einstreichen kann oder gar kostenlos einsackt. Sol- che Vorlagen will jeder aufrechte Spieler selbstverständlich vermeiden. Nur wird man in Mini Express in gewissem Aus- maß dazu gezwungen. Das fühlt sich nicht schön an. So richtig verärgert sind die anderen am Tisch, wenn einer leicht- fertig Geschenke macht.
Typischerweise kristallisiert sich früher oder später eine führende Bahnlinie her- aus, an der man sich natürlich gern betei- ligen würde. Der Preis dafür hängt jedoch zu stark vom Handeln der Mitstreiter ab. So wurde diese Preisfindungsmethode bei uns sehr zwiespältig aufgenommen. Auch die Ausbreitung über den Plan ist oft durch das spärliche Lok-Angebot ge- dämpft. So effektiv die Kopplung der Spiel-Elemente das Regelwerk reduziert, so stark beschneidet sie auch den Hand- lungsspielraum. Wie gern würde ich mal eine große Strecke bauen oder die Kon- kurrenz auf einer Skala schneidig über-
holen. Fehlanzeige – alles läuft in sehr geordneten Bahnen.
Anders im reinen Duell. Neben der Einbeziehung eines virtuellen Dummys wird auch eine pure Konfrontation zu zweit bei vollständiger Information ohne Glücksfaktor mit zwei Aktionen pro Zug angeboten. Da stellt man sich der Her- ausforderung gern, auch wenn der Kopf dann raucht.
    Titel: Autoren: Illustration: Verlag: Personen: Alter: Dauer: Preis:
Mini Express
Mark Gerrits
Pinting Pan, Shougun Moaideas Game Design 1– 5
ab ca. 10 Jahren
ca. 60 Minuten
ca. 55 Euro
 Kritiker Spielreiz
Christwart Conrad
Zu zweit eine 7, sonst: 5. Die Regel ist über eine Finanzierung in der Spieleschmiede übersetzt worden, entsprechend ist das Spiel über www. spiele-offensive.de zu beziehen.
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  Fotos: Becker, Conrad, Moaideas Game Design









































































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