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      ersten Mal vor einem Automat. Sein Vater flipperte gerne und erfüllte sich zum 42. Geburtstag einen Herzenswunsch: ein eigenes Gerät im Keller. An dem durften auch beide Söhne spielen. Auch wenn es Phasen gab, in denen die Playstation in- teressanter als der Flipper war, blieb Os- termeier kontinuierlich dabei.
Talent,Reaktionsgeschwindigkeitund eine gute Hand-Auge-Koordination wa- ren vorhanden, aber eine professionelle Karriere war keineswegs geplant: „Das hat sich Stück für Stück entwickelt“, sagt Ostermeier. Das erste lokale Turnier spiel- te er, da war er sieben Jahre alt. Es folg- ten regionale Entscheide, die Deutsche Meisterschaft, internationale Wettbewer- be. Ostermeiers Hochphase begann 2017 und wurde mit dem Weltmeistertitel nach dem Dreieinhalbmilliarden-Finale 2019 in Mailand gekrönt.
Dann kam Corona. Seitdem wurde kei- ne Weltmeisterschaft mehr ausgetragen. Auch in Kneipen versammelt sich derzeit niemand um einen Flipper. Vielleicht kann die Roll-&-Write-Adaption dafür sorgen, die Freude am Flippern auch in diesen Zeiten aufrechtzuerhalten. Auf den ersten Blick mag das Brettspiel zudem wie das sozialere der beiden Hobbys aussehen. Doch im Laufe einer Partie Flippermania schielen die bis zu vier Spieler nur selten aufs gegnerische Tableau, um die Punkt- zahl zu erspähen. Das ändert auch das gemeinschaftliche Würfelergebnis nicht. Was am Ende zählt, ist der High Score.
Im Gegensatz dazu ziehen die Lichter eines Flippers das Publikum magisch an. An dem können auch bis zu vier Spielerinnen und Spieler mitmachen.
Das Kräftemessen findet natürlich nicht gleichzeitig, sondern reihum nacheinander statt. Gebannt folgen die Augen der Kontra- henten jeder geg- nerischen Kugel. Nachdem alle ihre erste Kugel ge- spielt haben, ist der erste Spieler wieder an der Reihe. Oster- meier erklärt, dass einige Profis gezielt gegen ihre Gegner spielen – wie ein Magnus Carlsen beim Schach.
Eine Gemeinsamkeit von Original und Brettspiel-Umsetzung ist der Tilt. Dieser Abschaltmechanismus setzt ein, wenn die Kugel durch zu viel Rütteln des Flippers beeinflusst wird. In fast jedem modernen Gerät hängt ein kegelförmiges Pendel in einem Metallring. Bei Erschütterung be- ginnt es zu schwingen. Sobald das Pendel den Rand berührt, löst der Kontakt den Tilt aus – die aktuelle Kugel ist verloren. Rütteln ist kein Regelverstoß, meint Os- termeier: „Spieler und Spielerinnen müs- sen wissen, wie viel sie mit dem Gerät arbeiten wollen“ – ohne zu tilten.
Flippermania-Erfinder Geoff Engel- stein simuliert das Rütteln am Tisch, in- dem die Augenzahl gezielt manipuliert wird. Auch wenn sich der Tilt gleich aus- wirkt, hat das mit Flippern wenig zu tun, meint Ostermeier: „Bei Flippermania ist
das planbar. Vorm Flipper ist das eine in- tuitive Reaktion.“
Zum Ende des Gesprächs schweift Os- termeiers Blick noch einmal über die vier Automaten von Flippermania. Er lobt die Liebe zum Detail, die Umsetzung des Minispiels in Disco Fever. Doch ab- schließend kommt der Weltmeister zur Erkenntnis: „Nichts ist wie Flipper.“ Sein Hobby ist einzigartig. Brettspiele sind es auch.
Aber es findet sich doch eine letzte Gemeinsamkeit: Wenn die Frustration überhandnimmt, kann es zum verzweifel- ten Gewaltausbruch kommen. Was beim Brettspiel der Tableflip, ist beim Flipper der Schlag gegen den Tisch. Für eine sol- che Aktion hat Ostermeier kein Verständ- nis und zeigt so die Liebe für sein Hobby: „Man schlägt keinen Flipper!“
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 Auf YouTube ist Johannes Ostermeiers welt- meisterliches Spiel von 2019 noch immer zu sehen, mit dem er nicht nur die Reporter in Ekstase versetzt.
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