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  Kritik. Stichtag
 Von UDO BARTSCH
Das Modulare von Stichtag erinnert an 504 von Friedemann
Friese, das gängige Brettspiel-Mechanismen beliebig verquickte. Noch enger ist die Verwandt-
schaft zu Frieses Stich- Meister, bei dem die Regeln nach jeder Runde
wechselten, was verstö- rende Verwicklungen er-
zeugen konnte.
War Stich-Meister ge-
S
der gute alte „Stichtag“ nahezu beschäftigungs- los. Vereinzelte Einsätze bei der Hörerhitparade des Oldie-Radios sind al- les, was ihm bleibt. Ein Stich ins Herz des einst stolzen Datums! Das hat der Stichtag nicht verdient.
Das fanden offenbar auch
Emely, Inka und Markus Brand:
Es gibt den Murmeltiertag (2. Februar), den Star-Wars-Tag (4. Mai), sogar den Tag des Deutschen Butter- brotes (letzter Freitag im September) – wo bleibt der Tag, an dem gesto- chen wird?
Aber genügt ein einziges Datum? Müss- te es nicht mindestens eine Aktionswoche sein, besser ein ganzer Stichmonat, der Stichember? Die Relevanz ist schließlich nicht zu vergleichen mit substanzlosen Ri- tualen wie Ostern oder Muttertag.
Ob Emely, Inka und Markus Brand auch das stichhaltig fanden, ist nicht überliefert. Trotzdem nahmen sie sich der Sache an. Für jeden Tag ein Stichspiel, das täglich ande- ren Regeln folgt. Zur Orientierung ist ein Klappkalender dabei. So wissen wir nicht nur, welcher Tag ist. Aus Zehner- und Einer- stelle und Monat ergibt sich obendrein, wie gespielt wird.
Kreative Runden könnten natürlich auch andere Daten einstellen als das aktuelle und nach deren Vorgaben spielen. Und Nonkonformisten könnten gar Tage spielen, die es gar nicht gibt, den 35. Februar etwa,
eitdem er durch die „Deadline“ ver-
drängt wurde, ist
Heut schon
treu seines Namens eher eine Angelegenheit für Versierte, gestochen? holt Stichtag auch Stichlinge ins
haha!, sich für Outlaws halten und hof- fen, dass jetzt das Weltall explodiert. Aber selbst am 35.2. hat Stichtag noch Regeln parat. Und im Regelfall sind die Regeln einfach: Karten von null bis elf in sechs Farben, Rot ist Trumpf, es wird bedient, gestochen, abgeworfen, wie man es kennt. Jeder gewonnene Stich zählt einen Punkt, nach zwei bis vier Runden gibt es einen Sieger.
Der Witz sind natürlich die Varia- tionen dieser Grundregeln. Landet im Karnevalsmonat Februar eine Karte mit Narrenkappe im Stich, müssen alle ihr Blatt nach links weitergeben. Wer im heißen Juli eine Karte mit Sonne sticht, hat sich damit logischerweise einen Sonnenstich eingefangen und kann kei- ne Punkte mehr sammeln, bis sich wer anders das Hirn verbrennt.
Immer drei Regeln gelten in Kom- bination. Manchmal geht es darum, wenige Stiche zu gewinnen, mal um
die Vorhersage der Anzahl, mal wechselt die Trumpf- farbe, mal bildet man Teams. Manche Kom- binationen haben mehr Pfiff, manche weniger; keine ist so spektakulär, dass man jeden Tag auf die- se Weise spielen wollte. Muss man ja auch nicht. Neuer Stichtag, neues
Boot: Menschen, denen es nach einer halben Stunde wieder ge- nug ist. Die es nicht schert, ob sechs Kartenfarben zu viel Zufall
ins Spiel bringen. Oder dass manche Blätter kaum Gestaltungs- und Frei- raum bieten.
Stichtag ist nicht so bierernst, wie es Stichspiele oft sind. Kinder können gegen Erwachsene gewinnen. Und es wird nicht langweilig, denn es ist je- des Mal anders.
   Titel: Autoren:
Illustration:
Verlag: Personen: Alter: Dauer: Preis:
Stichtag
Emely Brand, Inka Brand, Markus Brand Schwarzschild, C. Pomnitz, KniffDesign Ravensburger
3 – 5
ab ca. 10 Jahren
ca. 30 Minuten
ca. 22 Euro
  Glück.
Kritiker
Udo Bartsch
Christwart Conrad
Spielreiz
6
7
504 jetzt in der Version 480. Note gilt allerdings nur für ausgewählte Kombinationen; viele Monate sind mir zu glückslastig.
Wieland Herold 6
Die Idee hat was. Aber lieber ein gutes Stichspiel, als sich ständig in der Mittel- mäßigkeit bewegen.
spielbox   21
        Fotos: Bartsch



















































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