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Kritik. Golem
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Lehm – und Lehm lassen
wir, wie auf den benachbarten Rab- bi-Feldern, Aktionen wählen. Auf unseren Spielertableaus streben wir nach Fortkommen in den drei Bereichen, die farblich wie inhaltlich den Pfaden durch die Stadt entsprechen: Wissen erlan- gen, Reichtum erstreben, Golems
beherrschen.
Nach vier intensiven Runden wird
„Wahrheit“ steht auf der Stirn des Golems geschrieben, ein Zettel mit der Aufschrift „Gott“ liegt unter seiner Zunge. Es
ist die Macht des Wortes, die der Sage nach die Kreatur aus Lehm zum Leben erweckt – eine Kreatur, die ebenso verlockend wirkmächtig wie schwer zu kontrollieren ist.
Von MAREN HOFFMANN
der Popkultur angekommen ist: von Poké- mon bis Minecraft, von Terry Pratchetts Scheibenwelt bis zur IT-Szene, die sich auf golem.de mit Branchen-News versorgt.
Die Sage um den Prager Rabbi Judah Löw, der im späten 16. Jahrhundert eine Kreatur aus Lehm schuf und sie mit Ma- gie zum Leben erweckte, damit diese das Judenviertel schützen konnte, ist bisher eher ein Thema für Belletristik, Theater und Leinwand gewesen. Es ist einerseits ein großer Wurf, diesen Stoff so unbe- fangen in die Hand zu nehmen, dass er für einen munteren Spieleabend drapiert werden kann, andererseits aber dessen Motive und atmosphärische Tiefe immer wieder durchschimmern zu lassen und in Spiel-Mechaniken zu übersetzen.
Auf dem zentralen Spielplan ist ein düsteres Prag zu sehen, durch das unsere Studenten und die von uns erschaffenen Golems laufen, Aufgaben erledigend, Be- lohnungen einheimsend. In der aus Pap- pe zusammengesteckten Synagoge rol- len in jeder Runde Kugeln in fünf dafür vorgesehene Bahnen. Mit ihnen können
belohnt, wer in allen drei Bereichen gute Multiplikatoren erreicht und so die eigenen Siegpunkte vervielfacht hat. Ressourcen auf dem Weg dorthin sind knapp, aber die Optionen sind es nicht. Der modulare Aufbau bringt Va- rianz, was den Wiederspielreiz fördert: Es gibt immer wieder andere Belohnun- gen, Startoptionen und Aktionsmög- lichkeiten. Aber egal, was ausliegt: Weder sollte man das eigene Einkom- men vernachlässigen noch den wage-
mutigen Fortschritt scheuen.
Die Geschichte vom Golem war schon immer eine von Technikfol- genabschätzung und auch Techno- logiekritik. Golems, Roboter, künst- liche Intelligenz: Wir können so einiges erschaffen, die Kontrolle darüber ist aber ein anderes Kapi- tel. Im Falle der Golems heißt das: Wer nur Lehm im Kopf hat, macht sich weiter keine Gedanken. Der rennt einfach los. Und ist, einmal in Bewegung gesetzt, schwer zu bremsen. Die Golems, die man ruft, die wird man, ach, schwer los – die Erzählung vom Golem, der nicht aufhört, Wasser herbeizuschleppen, mag Goethe zu seinem Zauberlehrling inspi-
riert haben.
Im Idealfall sind unsere Studenten auf
den Prager Straßen deshalb immer direkt neben den Golems; so können letztere
D
Euro-Kracher: Lorenzo der Prächtige stammt aus ihrer Feder. Ihr neues Werk nun ist Golem, ein harter Brocken, erhöh- tes Risiko zur Optionsparalyse inklusive, aber mit recht unverbrauchtem Thema. Auch wenn die Figur des Golems als kraftvoll-unverwüstlicher Diener längst in
as italienische Autorentrio Flami- nia Brasini, Virginio Gigli und Si-
mone Luciani ist spezialisiert auf
    Fotos: Asmodee, Hoffmann












































































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