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 Kritik. Raise
   Glocken verzocken
 Von UDO BARTSCH
paradox ist, weil es doch angeblich ums Überbieten gehen soll.
Denn Raise
ist ein Versteige-
rungsspiel. Peter
Prinz hat sich da-
für seinen eigenen
Jenseits-von-The-
ben-Mechanismus ausgeborgt:
Der Hinterste muss agieren. In
Raise ist das der mit dem niedrigsten Ge- bot, der also im Spiralnebel hinten steht. Er muss erhöhen oder aussteigen. Man erhöht, indem man eine weitere oder mehrere seiner sechs Handkarten spielt. Die Karten haben einen Grundwert von eins bis sechs. Dieser wird mit der Anzahl gleicher Würfelsymbole multipliziert, die vor der Auktion erworfen wurden und beispielsweise besagen können, dass Sanduhrkarten doppelt zählen, Glocken sogar dreifach. Das neue Gebot wird zum alten hinzugerechnet. Und es muss so hoch sein, dass der Bietende danach nicht mehr Letzter ist.
Wir steigern aber nicht nur um puris- tische Punktekarten im Wert zwischen sechs und 20 mit. Alle gebotenen Hand- karten gehen auch in den Pott. Die meis- ten davon zählen nur einen Punkt, man- che aber auch fette fünf. Je umkämpfter die Bieterschlacht, desto spannender und lukrativer wird sie auch. Und einer kriegt alles. Für ihn hat sich das Überbieten ge- lohnt. Die anderen waren Kanonenfutter – und sollten in Zukunft vielleicht nicht jedem Schachteltext glauben.
Ein Bluff kann in Raise nie schaden. Lasse ich meine spitzenmäßigen Karten zu deutlich durchblicken, steigen die anderen sofort aus. Bloß nicht, denn ich will sie ja ins Gebot und damit in ihr Ver-
derben locken! Gier und Selbstüber- schätzung ergeben die schönsten Melkkühe. Aber auch mittelmä- ßige Blätter ergeben regelmä- ßig Melkkühe: Als Betroffe- ner ahnt man schon, dass es nicht reichen wird, und bietet dennoch mit. Man muss ja. Wer nie bietet, wird auch nie gewinnen. Und darf hinterher keine Kar-
S
wertvoll, also kauf es!“, sagen sie. „Über- bieten lautet die Devise!“, raunt der An- fixtext auf der Schachtel. Genau deshalb heißt Raise auch Raise. Weil „raise“ „er- höhen“ heißt.
Was wir in Raise kaufen? Nun ja, Punk- tekarten. Ganz schlicht. Ganz pur. Wenig sexy. Und womit überbieten wir andere? Mit Handkarten, die ... ähm, Zahnräder, Glocken und Wolken zeigen. Offenbar wollte die Redaktion irgendeine Form von Spielthema strikt vermeiden. Man kennt das: Spielthemen rufen ja doch nur läs- tige Kritiker auf den Plan, die an allem herummäkeln. Angriff vereitelt!
Apropos Plan: Themenverweigernde Spiele stellen die Grafikagentur vor He- rausforderungen. Was soll man malen, wenn nichts zum Malen da ist? Für den Spielplan, der in Raise dazu dient, den Stand der Gebote festzuhalten, entschied man sich für schmucklosen Spiralnebel. Raise for the Galaxy.
Nicht die beste Idee. Die gewundene Laufbahn erschwert die Handhabung; et- liche meiner Mitspieler haben sich beim Vorwärtshüpfen schon verzählt. Oben- drein gibt der kosmische Kringel Rätsel auf. Er endet bei 50, und die Anleitung verschweigt, ob 50 wirklich das Höchst- gebot ist oder man einfach wieder von vorne loszählen soll. Grafisch verkauft sich Raise also schon mal kräftig unter
Wert, was nicht nur bedauerlich, son- dern zugleich
pieleschachteln lügen nicht. Anlage- berater und Immobilienmakler tun
das schließlich auch nicht: „Es ist
ten nachziehen, die hoffentlich besser sein werden. Es aber nicht zwangsläufig sind. Oder nur, wenn endlich Zahnrä- der gewürfelt werden. Was aber nie ge- schieht. Von Frust bis Lust bietet Raise alles. Überbietet aber nichts.
    Titel: Autor: Illustration: Verlag: Personen: Alter: Dauer: Preis:
Raise
Peter Prinz
Fiore GmbH Piatnik
2 – 5
ab ca. 10 Jahren ca. 30 Minuten ca. 20 Euro
 Kritiker
Udo Bartsch
Stefan Ducksch
Spielreiz
6
5
Die Spielidee klingt gut und macht Lust aufs Zocken. Doch zu häufig kann man mit den falschen Handkar- ten am Spiel nicht wirklich teilnehmen.
Stephan Kessler 5
Immer wenn es ein spannendes Biet- rennen mit psychologischen Bluffele- menten wurde, konnte Raise punkten. Aber es gab auch immer eine Person am Tisch, die abgeschlagen zuschauen musste und sich vom Unglück gespielt fühlte.
Marie Poenisch 7
Unterhaltsames Spiel mit Bluff-Ele- ment und einer gehörigen Glückskom- ponente durch das Zusammenwirken von Würfeln und Karten. Das ist aber nicht so schlimm, weil eine Partie schnell gespielt ist.
Christoph Schlewinski 5
Kann sehr spannend sein, wenn man aktiv mitspielen kann. Leider muss man manchmal feststellen: Man guckt nur zu.
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 Fotos: Bartsch, Piatnik





















































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