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   kontrolliert werden. Das Spiel bestraft diejenigen hart, die diesen Aspekt miss- achten. Man kann die direkte Kontrolle durch die Ressource Wissen ersetzen – dann klappt es auch auf Entfernung. Hat man aber nicht genug Wissen, wird man auf der Siegpunktleiste weit zurückgewor- fen und kommt meist nur schwer wieder auf die tönernen Füße.
Hat man eine gefährliche Technologie nicht mehr im Griff, ist es auch eine Op- tion, den Stecker zu ziehen. Im Falle der Golems ist das die Bestattungsaktion. Auf dem Friedhof macht sich der stumme Diener noch einmal nützlich und bringt Ressourcen oder einen Schwung Sieg- punkte – vor allem wenn man sich früh den Bestattungs-Booster gegönnt hat, der alle Stilllegungsprämien verdoppelt.
Golem ist ein grandioses Spiel voller Möglichkeiten und Abwägungen. Es geht nicht hart gegeneinander. Höchstens nimmt mal ein Mitspieler eine Kugel, die man selbst gern gehabt hätte, oder be- setzt den attraktivsten Rabbiplatz, aber man macht einander nichts kaputt. Inter- aktion gibt es wenig, spannend ist es trotzdem. Hohe Konzentration, fein ge-
drechselte Entwicklungen und das tiefe Eurogamerglück, wenn die eigene Pla- nung nahezu perfekt aufgeht. Das ist zu zweit wie zu dritt oder viert super, eine mit jeder Spielerzahl und für den Solo- Modus nutzbare Automa-Variante na- mens „Der große Automat“ schafft noch mehr Abwechslung.
In dieser Maschine sind so viele Ele- mente miteinander verschraubt, dass es, egal wer gerade am Zug ist, Spaß macht, zuzusehen, wie alles fein ineinandergreift. Es gibt auch ein paar kleinere Glücksele- mente. Da sind die Rabbi-Aktionen, die jede Runde neu aufgedeckt werden, da sind die Bücher, die man sammeln kann und deren Auslage ebenfalls nachgezo- gen wird, und da ist die nach realem Pra- ger Vorbild gestaltete Altneu-Synagoge, in die die Kugeln rollen, von denen man pro Runde und Spieler zwei wählen kann – je mehr Kugeln in einer Bahn liegen, desto stärker die Aktion; und wenn sogar die Farbe passt, ist es noch besser.
Allerdings ist dieses innovativste Ele- ment im Spiel leider zugleich das funktio- nell fehlerhafteste. So schön die Kugel- mechanik ist – die Synagoge gehorcht dem Zufall weniger, als sie sollte, viel- mehr kann ein Spieler die Hand Gottes mimen. Wirft man die Kugeln beispiels- weise etwas seitlich ein, rollen sie auch überproportional häufig in die Slots der- selben Seite.
Das ist schon ein bisschen ärgerlich, gerade weil das Material sonst so schön und durchdacht ist. Jedenfalls bis auf kleinere Design-Irritationen. So sind die Nachbarschaftsplättchen auf der blauen und gelben Straße in der jeweiligen Far- be unterlegt, auf der roten aber, da sind sie grün. Gewöhnt man sich zwar daran, aber das Spiel ist auch ohne Extrahür- den anspruchsvoll genug. Immerhin: Die
Regel ist gut strukturiert und mit vielen Beispielen und Übersichten versehen, für ein Spiel dieses Kalibers extrem hilfreich.
Ein Kriterium für die Qualität eines Stra- tegiespiels ist, wie lange man nach einer Partie noch alternative Optionen und Ver- läufe abwägt – und im Grunde schon die nächste Partie herbeisehnt, in der man neu Gelerntes zur Anwendung bringen kann. Von unseren Golem-Partien in diver- sen Runden glich keine der anderen, und es waren ganz verschiedene Strategien, die zum jeweiligen Sieg führten. Nur auf eines war Verlass: Wer seine Golems nicht im Griff hatte, der verlor.
    Titel: Autoren:
Illustration: Verlag:
Personen: Alter: Dauer: Preis:
Golem
Flaminia Brasini, Virginio Gigli, Simone Luciani Francesco Ausonia Ciampi, Roberto Grasso Asmodee, Cranio Creations
1 – 4
ab ca. 13 Jahren
ca. 120 Minuten
ca. 60 Euro
 Kritiker Spielreiz
Maren Hoffmann
Die Rezension beruht auf der Ausgabe von Cranio Creations. Die deutsche Ausgabe erscheint laut Asmodee noch im ersten Quartal.
8
Simon Weinberg 10
Golem ist bislang mein Lieblingsspiel des aktuellen Jahrgangs. Es gibt eine Vielzahl an unterschiedlichen Strate- gien, die alle gut ausbalanciert sind. Auch nach sechs Partien verspüre ich den Wunsch, es unbedingt noch mal spielen zu wollen – und es ist lange her, dass ich das selbst über ein sehr gutes Spiel gesagt habe. Die unter- schiedlichen Startvoraussetzungen, die Variabilität, das Thema, die Zielkarten – das erinnert alles ein bisschen an Grand Austria Hotel und Lorenzo der Prächtige, aber Golem ist besser als diese beiden Titel.
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