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 Kritik. Ultimate Railroads
  Das ultimative Railroad-Spiel
Es ist nicht besonders originell, die Spiel-des-Jahres-Jury zu kritisieren. Zum einen tut dies ohnehin jeder, zum anderen haben die Kritiker fast immer recht. 2011 war die Jury der Meinung, dass potenzielle Käufer des Spiels des Jahres nur Regeln erfassen können, die als Tweet verbreitet werden könnten, und brachte
für den Rest der Spielwelt das „Kennerspiel des Jahres“ an den Start. 2014 wäre Russian Railroads von Helmut Ohley und Leonhard Orgler der offensichtliche Kandidat hierfür gewesen, doch nach unbestätigten Berichten war es der Jury zu komplex und kam nur auf die Liste der Empfehlungen. Die Szene wandte sich einigermaßen fassungslos dem Deutschen Spielepreis zu und wählte es dort zum Sieger.
down – lässt Spielerherzen höher schlagen. Die Gestaltung hat sich nicht geändert, aber Schachtelein- satz und selbst Stanzbögen wurden optimal genutzt.
In den vergangenen Jahren hatte der Hans-im-Glück-Verlag vermehrt an die geistige Fitness seiner Kunden gedacht und seine Neuheiten mit einigermaßen kryptischen Regeln versorgt. Und, Hand aufs Herz, ist es nicht ungleich befrie- digender, sich ein Spiel korrekt anhand eines minimalistischen Regelsatzes mit gern auch irreführenden Hinweisen zu erarbeiten, als alles einer perfekt gestal- teten Regel zu entnehmen? Auch wenn die Regel von Ultimate Railroads per- fekt ist, wird der Kunde nicht enttäuscht, da er sich einen unglaublich praktischen Schachteleinsatz anhand einer von Ikea bekannten Explosionsgrafik zusammen- basteln muss. Wer dies ohne fremde Hilfe schafft, verspürt sicher die Befriedigung, die ansonsten nur Kunden des schwedi- schen Möbelhauses nach erfolgreichem Aufbau eines Regals kennen.
I Gleisbau in Asien
Das Material würde alleine den Kauf rechtfertigen, da nun endlich alles in einer Schachtel verstaut werden kann. Als Bonus gibt es aber noch eine neue Variante, die gleichfalls in jede gut sor- tierte Spielesammlung gehört: Asian Railroads, diesmal von Helmut Ohley alleine entwickelt. Das Einzige, was sich nämlich am Original kritisieren ließ, war, dass eine Konzentration auf die trans- sibirische Eisenbahn nach „Vladivostok“ sehr erfolgversprechend war. Natürlich garantierte diese Strategie nicht den
Sieg, erforderte jedoch eine gewisse Aufmerksamkeit der Gegner, falls sich nur einer daran versuchte. In Asian Railroads ist selbst dieses kleine
Problem behoben.
Was hat sich geändert? Wie
beim Original hat jeder Spieler zunächst fünf oder sechs Arbeiter sowie einen individuellen Plan, auf dem er an drei Eisenbahn- linien bauen kann: In Russland gab und gibt es zwei kurze Routen mit jeweils neun Fel- dern nach „Sankt-Peterburg“ und „Kyiv“ (interessanterwei-
Von CHRISTIAN KLEIN
So weit die Geschichte. Russian Rail- roads trat trotzdem seinen Sieges- zug an und brachte es im Laufe der
Jahre auf einige Erweiterungen: Ger- man Railroads, American Railroads, kleinere Varianten wie das Kohlemodul und eine Solitärversion, bei der man sich gegen einen gewissen
Emil behaupten musste.
Vom Prinzip her handelt es sich bei allen Vertretern der Familie um Worker- Placement-Titel, bei denen jeder seine Arbeiter auf einem zentralen Plan ein- setzt, um damit auf einem eigenen Plan durch Entwicklung seines Bahnnetzes und von Industrie
Siegpunkte zu erringen. Was zunächst ba- nal klingt, entfaltete seinen Reiz dadurch, dass im Prinzip jede Aktion positiv war und Siegpunkte brachte, was ein echtes Dilemma darstellte. Zudem konnten auch extreme Strategien zum Erfolg führen. Dies bedeutete nicht nur einen sehr ho- hen Wiederspielwert, sondern auch, dass die eigentlich geringe Interaktion beim Einsatz der Arbeiter entscheidend sein konnte, wenn lästige Gegner die für den mühsam ausgeheckten Plan benötigten Felder einfach besetzten.
Das Original war seit einiger Zeit ver- griffen, findet sich nun aber als Teil von Ultimate Railroads mit allen bekannten und einer neuen Variante in einer mas- siven Box wieder auf dem Markt (siehe spielbox #6/21 für ein Interview mit Autor Helmut Ohley und Verlagschef Moritz Brunnhofer zur Entstehungs- geschichte). Eine gut drei Kilogramm schwere, prall gefüllte Schachtel – sicher
ein nützliches Trainingsgerät für den nächsten Lock-
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 Fotos: Becker













































































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