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Titel. Porträt: Ralf zur Linde
Der Tausendsassa
Der Blick aus dem Arbeitszimmer ist herrlich. Nicht weit entfernt wogt das Mittelmeer, weiße Schaumkrönchen auf azurblauen Wellen, davor Palmen, saftiggrüner Rasen. Ralf zur Linde, mallorcabraun, gut gelaunt, nimmt extra die Kamera vom Monitor, um den kleinen Schwenk in den Videocall einzubauen. Dann geht es weiter durch sein Leben. Er spricht über Musik und Mathematikdidaktik, über analoge und digitale Spiele, über Mallorca und Fincas.
Von ANDREAS BECKER
Es dauerte eine Sekunde. Na gut, viel- leicht waren es auch fünf oder acht oder elf. Ralf zur Linde betrachtete
die Mineralwasserflasche vor ihm. Sein Blick blieb auf dem Deckel kleben: VCH. Mehr nicht. VCH für Vichy. „Da war Less Is More eigentlich fertig“, erzählt er. So einfach kann es manchmal sein. Und er liebt es, wenn es so einfach ist. „Die Mechanismen in meinen Spielen werden eigentlich jedes Jahr elementarer.“
Bei Less Is More geht es darum, einem Mitspieler einen Begriff zu erklären, und zwar mit so wenigen Buchstaben wie möglich. Wer den kürzesten aller Hinwei- se aufgeschrieben hat, darf seinen Tipp als erstes zeigen. Natürlich immer mit der Gefahr verbunden, zu viel weggelassen zu haben und nur für Ratlosigkeit zu sorgen. (Eine Besprechung haben wir in spielbox #6/21 veröffentlicht.)
Viel weniger Regel geht wohl kaum. Von daher muss sich zeigen, ob zur Linde immer wieder Ideen findet, die sich eben- so weit entschlacken lassen. Eigentlich kaum vorstellbar. Für weitere drei Spiele habe er bereits die Verträge unterzeich- net, bei vielen anderen Verlagen liegen Prototypen. Ralf zur Linde ist gerade so produktiv wie lange nicht.
Das liegt auch daran, dass er sein Unternehmen Fincallorca 2019 verkauft hat. „Ich entrümpele“, sagt zur Linde, „ich will mit leichterem Gepäck durchs Leben gehen.“ Er, groß und gemütlich wie ein Grizzlybär, ist spät Papa gewor- den, jetzt möchte er mehr Zeit für seine Familie haben. Und mehr Zeit, um Spiele zu ersinnen. Alles ohne Druck. „Ich setze mich hin, wenn ich möchte“, sagt er. Wer seine innere Mitte sucht, kann Ralf zur Linde fragen, wie man sie findet. Wenn man den Lebensweg des 52-Jährigen an- schaut, dann könnte der wie eine Schatz- karte gelesen werden. Es scheint, dass er immer seinem Herzen gefolgt ist, das ge- macht hat, worauf er Lust hatte.
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Ralf zur Linde mit seinem aktuel-
len Spiel Less Is More, das aus einem Geistesblitz heraus entstand. Der 52-Jährige ist auch Musiker, just hat er das Album „Party Wave“ veröffentlicht. Für das Cover posierte er mit Surfbrett am Strand (rechte Seite).
Fotos: © zur Linde