Page 33 - spielbox 03/21 - Deutsch
P. 33

    Influencerin und Moderatorin Palina Rojinski feiert den 50. Geburtstag von Uno mit ihrer eigenen Kollektion des Klassikers – und wirbt dafür unter anderem mit diesem Bild auf Instagram (@palinski).
 Hausregel der Welt sorgte für große Verwunderung, als der Verlag Mattel auf Twitter daran erinnerte, dass man auf eine „+2“-Karte nicht wie landläufig akzep- tiert eine „+4”-Karte spielen dürfe – und umgekehrt. Doch die Internetgemeinde war sich schnell einig: Dieser Regelbruch sorgt für eine viel größere Scha- denfreude am Tisch und bringe erst die passende Würze in das simple Kartenspiel. 1999 wurde die-
se Regel explizit in die amerikanische (nicht in die deutsche) Version von Uno Fun aufgenommen. Und einige Fans sind sich einig: Uno konnte überhaupt erst zu dem Erfolg werden, weil die- se Hausregel existiert.
I Der bewusste Regelbruch
Doch weg von unabsichtlichen Varianten, hin zu den bewussten Regelbrüchen: In den allermeisten Fäl- len ist die Motivation für eine Hausregel, dass einem Spiel eine persönlich empfundene Schwäche zuge- schrieben wird. Ähnlich wie bei einem Software-Up- date soll dieser Patch etwas ausbügeln oder korrigie- ren, um das Erlebnis angenehmer zu machen.
Ein Beispiel: In Agricola von Uwe Rosenberg spie- len die Handkarten eine, wenn nicht sogar die ent- scheidende Rolle für die eigene Strategie. Durch die extrem hohe Varianz an unterschiedlichen Karten- kombinationen wird die zufällige Verteilung oft als unfair und eine schlechte Starthand als klarer Nach- teil empfunden. Eine vorgeschobene Drafting-Runde bietet an dieser Stelle
ein leicht umsetzbares
und wenig invasives
Werkzeug, um dieses
Manko auszugleichen.
Das Spielgefühl sowie alle weiteren Regeln sind da- durch nicht betroffen, der Glücksfaktor jedoch erheb- lich reduziert. Diese Drafting-Variante für Agricola, die nach der Erstveröffentlichung in den Leserkom- mentaren der Hall9000-Kritik von Stephan Valkyser erstmals vorgeschlagen wurde, fand sogar Einzug als Variante in die Regel bei Lookout (siehe Bild unten).
Etwas schwieriger gestaltet sich die Diskussion beim aktuellen Szeneliebling Everdell. Auch dabei spielen die Startkarten eine entscheidende Rolle und können durch ihre zufällige Verteilung für unfaire Ausgangslagen sorgen. Der Unterschied: Während bei Agricola die Handauswahl unverändert bleibt, sind die Karten im Wald der Tiere viel stärker im Umlauf und als Ressource zu verstehen. Das Beste aus den limitierten Möglichkeiten zu machen und mit die- sem Mangel umzugehen, ist ein elementarer Teil des Spielkonzepts. Das separate Aktionsfeld, mit dem sich Karten tauschen lassen, wird durch eine potenzielle Drafting-Zusatzregel in den Augen vieler Spielerin- nen und Spieler entwertet. An diesem Vergleich zeigt sich, dass Hausregeln wohldosiert und nur in kleinen Veränderungsschritten ausprobiert werden sollten. Je komplexer und verzahnter die Regeln, desto vorsichti- ger sollten die Anpassungen erfolgen.
Eine in der Recherche häufig auftauchende Moti- vation für Regelanpassungen ist, die Zugänglichkeit zu erhöhen, damit das Spiel auch mit Kindern oder
Anfängerinnen und Anfängern erlebt werden kann. Aber auch der umgekehrte Fall ist nicht unüblich, um simple Spielkonzepte wie in Carcassonne stra- tegischer zu gestalten. Eine sehr beliebte Haus- regel beim Legespielklassiker von Klaus-Jürgen Wrede erlaubt es allen Mitspielenden, immer drei Plättchen auf der Hand zu halten, statt das eben gezogene direkt anlegen zu müssen. Die- se Hausregel reduziert den Glücksanteil und fördert die Planbarkeit und den Wettkampf
beim Anbauen.
I Rettung vor dem Flohmarkt
Nicht immer führen Hausregeln dazu, etwas fairer zu machen oder die Balance zu verbessern. Teilwei- se sind sehr extreme Auswirkungen auch gewollt und werden bewusst in Kauf genommen. Simone Volz, die weit über 600 Partien Agricola gespielt hat, sucht durch Hausregeln nach neuen Herausforderungen und Reizen. Mit ihrer besten Freundin spiele sie inzwi- schen immer eine zusätzliche „nullte” Runde auf Ro- senbergs Farm. „Die lassen wir dann ohne Ernährung laufen, das ist anfangs natürlich deutlich entspann- ter, erlaubt aber hinten raus deutlich komplexere und spannende Kettenreaktionen”, erklärt sie begeistert von ihrer Idee. Mich erinnert dies an die Monopoly-
Anekdote mit dem Jack- pot auf „Frei Parken”. Wie meine Söhne erfan- den die beiden Spielerin- nen neue Regeln, um ihr
  spielbox   31
    















































































   31   32   33   34   35