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 Essay. Hausregeln
  „Gehe in das Gefängnis. Begib Dich direkt dorthin. Gehe nicht über Los. Ziehe nicht DM 4000 ein.“
Vermutlich kennt jede und jeder diesen Satz aus Monopoly. Mehrere Generationen haben sich wohl mindestens einmal über diese Aufforderung geärgert und missmutig
die Scheine zurückgelegt. Meinen beiden Söhnen war das irgendwann
zu blöd. Sie kamen auf die Idee, alles Geld, was man an die
Bank zahlen muss, einfach in die Mitte des Spielplans
zu legen. Sie beschlossen, dass man diesen Pott auf „Frei
Parken“ gewinnt, sobald man darauf landet. Schließlich passiere
dort ja sonst nichts, das sei doch eine gute Idee. Ich fand diese Sonderregel völlig unausbalanciert und unfair. Dann fiel mir auf, dass wir über Monopoly reden – und lachte über mich selbst.
Von MANUEL FRITSCH
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seit Jahrzehnten so auch gespielt wird – sorg- D
och, siehe: Diese kleine Regeländerung – die übrigens so naheliegend ist, dass sie bereits
te dafür, dass den beiden Jungs das Spiel mehr Spaß machte und zusätzlich mehr Spannung durch die Aus- sicht auf den dicken Jackpot entstand.
Diese Episode war der Anlass, mir Gedanken zu machen, wie unsere Szene eigentlich mit Hausregeln, also Veränderungen und Anpassungen am vorde- finierten Regelkonstrukt, umgeht. Was spricht dafür, was dagegen? Und wie gehen Autoren und Autorinnen damit um, wenn ihr Spiel
gehausregelt wird?
Dass es bei Gesellschaftsspielen
überhaupt so viele Hausregeln und Varianten gibt, liegt primär darin be- gründet, dass die allermeisten Regeler- klärungen für Spiele mündlich übermittelt werden. So schleichen sich zwangsläufig Fehler ein, die unabsichtlich neue Varianten entstehen lassen. Das sieht man besonders deutlich an regional geprägten Kartenspielvarianten, die sich im Detail oft stark voneinander unterscheiden, aber klar auf das
gleiche Grundspiel zurückgeführt werden können. Das Kartenspiel Uno hat ein Großteil der Weltbe- völkerung wohl genau aus diesem Grund ihr Leben lang „falsch“ gespielt. Die inzwischen bekannteste
   Der Spaß am
Regelbruch
Fotos: Becker, Fritsch, Palina Rojisnki (@rojinski), Florian Schulz













































































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