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 Kritik. Zombie Teenz Evolution
 Zweite Welle
Wer das alles schon mal erlebt hat, erkennt die Anzeichen sofort: In den Supermärkten klaffen beängstigende Lücken im Toilettenpapierregal. Talkshows nudeln mit immer denselben Gästen das immer gleiche Thema durch. Einst verhaltensunauffällige Mitmenschen demonstrieren für ihr Recht auf Schwurbelei. Wir sind erneut im Krisen- Modus! Nächster Level.
Von UDO BARTSCH
Es begann mit Zombie Kidz Evo- lution. Verblödete Horden stürmten da die Schulen. Nein,
nicht die Demonstranten auf ihrer unverzagten Suche nach Wahrheit und Erleuchtung. Sondern Zombies auf ihrer Suche nach Kinderhirn. Die Spieler muss- ten sie abwehren und schienen dabei er- folgreich. Die Zombie-Inzidenz war knapp unter 100 geknüppelt. Jetzt schnell die Grenzwerte hoch, schon konnte die Re- gierung die Apokalypse für offiziell abge- wendet erklären. Spielende gut, alles gut.
Von wegen, hätte man doch bloß auf die Zombielogen gehört! So kommt, was kommen musste: Die zweite Welle rollt. Oder besser, sie schlurft: Zombie Teenz Evolution. Die Untoten der neuen Ge- neration sind ein bisschen gewiefter als ihr damaliger Wildtyp. Neuerdings kreu- chen sie aus Gullys und wanken instinktiv Richtung Krankenhaus, Burgerbude, Poli- zeistation und Spielothek. Dort lagern
Ketchup, Pommes, Fußpilzcreme sowie ein angebissener Donut – und Pharmazeuten werden an dieser Stelle wissend nicken: Dies sind natürlich die ent- scheidenden vier Zutaten jenes fantas- tischen Serums, das Zombies in ehemals ver- haltensunauffällige Mit- menschen rückverwandelt
– falls denn gewünscht.
Anders als in realen Krisensituationen spielen wir kooperativ. Unsere Aufgabe ist es, zu den vier bedrohten Gebäuden auf den Eckfeldern des kleinen Spielplans zu rennen, dort die magischen Zutaten zu schnappen und sie anschließend in den leider am weitesten entfernten Ort zu bringen, die Schule nämlich, direkt in der Spielplanmitte.
Möglicherweise aus versicherungstech- nischen Gründen oder auch nur um uns zu ärgern, sind die Ingredienzen in über- dimensionale Holzkisten verpackt. Eine Person allein schafft es nicht, sie zu tra- gen. Kette bilden ist angesagt, wie beim Umzug. Also müssen mindestens zwei zusammenarbeiten. Und Kette geben ist auch angesagt, denn Zombies sind nun mal nicht totzukriegen. Sie kommen wie- der und wieder und wieder.
Bevor ich in meinem Spielzug zwei Ak- tionen ausüben darf (ich wähle zwischen ein Feld weitergehen, Kiste übergeben, Kiste entgegennehmen), bestimmt ein Würfelwurf, was die Brut tut, das nicht gut tut. Eine gewürfelte Farbe bedeutet, dass der entsprechende Zombie entwe- der aus dem Kanal klettert oder – sofern schon an der Oberfläche – seinen Zom- bie-Walk im Uhrzeigersinn fortsetzt. Ein gewürfeltes Fragezeichen bedeutet: Nie- mand weiß, was jetzt passiert. Fragen wir mal den Ereigniskartenstapel.
Erreichte Gebäude werden von den Horden erobert. Sind alle Gebäude verlo- ren, sind wir es auch. Aber Moment . . . Wir sind ja Helden! Dienstbotengänge füllen uns auf Dauer nicht aus – uns juckt’s auch in den Fäusten. Befinde ich mich mit einer der Kreaturen auf demselben Feld, befördere ich sie mit einer Angriffs- Aktion in ihre Heimathöhle zurück.
Aus diesen einfachen Regeln ergibt sich ein Mikrospiel für eine Viertelstunde. Einfach, aber mit Pfiff. Wir müssen uns koordinieren. Die Zutaten zwingen uns in die Außenbereiche. Was leider riskant ist, denn in Zentrumsnähe lässt sich flexibler auf unangemeldete Zombieumzüge re- agieren. Spielplanecken aufzusuchen, ist dann effektiver, wenn dort auch Zombies herumlungern, die man beim Möbelräu- men gleich mitvermöbelt.
Man kann Glück haben, man kann Pech haben. Läuft der Zombie, den ich im nächsten Zug verhauen möchte, von meinem Feld herunter, stehe ich allein und dumm da. Lege ich mich listig ein Feld vor dem Zombie auf die Lauer, läuft er, wenn es blöd läuft, eben nicht weiter. Ähnlich die Zufalls-Ereignisse: Die Karte „Invasion“, die alle Zombies von außen nach innen befördert, ist ein Witz, wenn längst alle Zombies auf der Promenade flanieren, jedoch ein schlechter Scherz, hatten wir unter großen Mühen gerade
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    Fotos: Bartsch, Becker

















































































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