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      zer mit im Boot. Und die beiden Freunde aus Wien, die nun auch Geschäftspartner waren, konnten ihr Glück nicht fassen. Ihr erstes eigenes Ding: Es funktionierte.
Die Entscheidung für Kickstarter zahl- te sich noch auf andere Weise aus. Zum einen wurden internationale Verlage auf Riftforce aufmerksam. Zum anderen war es auch das Jahr ohne Spielemesse in Es- sen. Natürlich war 1 More Time Games auf der SPIEL.digital dabei, aber im virtu- ellen Raum ist es für einen kleinen neuen Verlag deutlich schwerer, wahrgenom- men zu werden, als wenn Spieler den Reiz einer Partie live erleben und die Mund- zu-Mund-Propaganda-Maschinerie Fahrt aufnimmt, es gute Noten bei BGG und beim Fairplay-Scouting gibt. Sprich: Ohne Kickstarter hätte die Geschichte von 1 More Time Games wahrscheinlich in die von No More Time Games umgeschrieben werden können.
I Lieber Agricola gezockt, als in den Morgen getanzt Es ist übrigens eine Geschichte, die
schon Jahrzehnte vor Riftforce begann. Roman Rybiczka und Julian Steindorfer besuchten die gleiche Grundschule. „Richtig kennengelernt haben wir uns aber erst im Gymnasium“, erinnern sie sich. Über, wie sollte es anders sein: Spie- le. Magic war da gerade das ganz heiße Ding. Aber auch im Studium spielten sie weiter. Es gab Partys, die sie verließen, um die Nacht lieber mit Agricola als tanzend ausklingen zu lassen.
„Ich bin dann in der Werbung gelan- det“, erzählt Julian. 2016 zog er nach Ber- lin. Er wollte unbedingt etwas machen, was ihn begeisterte: Er wollte Spieleautor werden. „Uwe Rosenberg hat dann den
Kontakt zur Edition Spielwiese herge- stellt.“ Von 2017 bis Anfang 2019 war er dort Redakteur.
Roman hatte Lebensmittel- und Bier- technologie studiert, noch einen Master in Lebensmittelwirtschaft draufgesattelt, und war sich dann sicher, dass er doch keine akademische Karriere einschlagen möchte. „Es war mein Traum, in der Brett- spielbranche zu arbeiten. Ich konnte mir gut vorstellen, Redakteur zu sein.“ Wie praktisch, dass er da jemanden in Ber- lin mit besten Kontakten in die Szene kannte. So landete er auch bei Edition Spielwiese. „Schon da hat sich herauskris- tallisiert, dass ich gern mit Julian etwas Eigenes probieren wollte.“ Ende 2019 gründeten die beiden ihren Verlag.
Natürlich hätten sie sich als erstes Spiel auch etwas Leichteres als einen Deckbuilder aussuchen können, eins, das weniger Arbeit macht, das weniger Test- zeit frisst. Sie hatten tatsächlich zuerst einen anderen Prototyp von Bortolini in
der Mache, den sie noch von ihrer Zeit bei der Spielwiese und der Entwicklung von Memoarrr! kannten. Aber dann stellte der Italiener ihnen Riftforce vor. „Es hat- te diese Magie, die wir suchen“, erinnert sich Julian. Sie wollten immer genau das machen: Spiele, die herausstechen. Spie- le, die man gleich noch mal spielen möch- te, one more time, please!
Allerdings ist dieser Anspruch auch eine Hürde. Es ist nicht so, dass sie mas- senweise Prototypen mit Magie-Faktor auf den Tisch gelegt bekommen. Bewusst wurde es ihnen erst vor einiger Zeit, als sie ihren internationalen Partnern per Video- chat potenzielle neue Projekte vorstellten. „Sie meinten: Das seid doch nicht ihr, das ist doch nicht 1 More Time Games“, sagt Julian. „Sie hatten Recht.“
Es ist aber nicht nur die Magie, um die es geht. Rybiczka und Steindorfer wollen nicht nur für das Versprechen stehen, dass ihre Spiele dieses gewisse Etwas mit Suchtfaktor haben, sie wollen Menschen anders ansprechen. „Viele Spiele schei- tern vielleicht auch daran, dass sie keine Identifikation für nichtmännliche Perso- nen bieten“, meint Julian.
Deswegen haben sie in Riftforce be- wusst mit klassischen Klischees gebro- chen. So ist die Beschwörerin der Erd-Gil- de ein altes Mütterchen, grau und faltig – aber immens stark. Der Beschwörer der Luft ist trotz eines BMI von über 40 ziem- lich beweglich. „Wir wollten schon Arche- typen, aber wir wollten die Stereotypen unterlaufen, uns loslösen vom Äußerli- chen.“ In der Riftforce-Erweiterung wird es einen Charakter im Rollstuhl geben.
Die beiden wissen, dass so etwas auch Widerspruch provozieren kann. „Für man- che mag das unangenehm sein, weil sie
  Carlo Bortolini.
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