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       ren können: Mit der Magd sprechen, den Bauern von der Seite anquatschen, eine Wache unschädlich machen, den Henker austricksen, oder mal gucken, was da am Fluss herumliegt: Alles möglich.
Zentrales Steuerungselement ist das schöne Hardcoverbuch, aus dem verlesen wird, was dann passiert. Man muss den Verlag dafür loben, dass er sich für diese Variante statt für eine App entschieden hat – nicht, dass Apps nicht toll sein kön- nen (wie etwa die Abenteuerspiele Reise durch Mittelerde oder Forgotten Wa- ters zeigen), aber es geht um ein ästheti- sches Gesamtpaket, zu dem ein schweres, gebundenes Buch einfach mehr beitra- gen kann. Kleine Abzüge in der B-Note gibt es nur für zwei Dinge: Die Spielplan- teile wölben sich leider etwas – und die eingesetzten Plättchen sitzen so straff, dass sie beim Umdrehen sehr schnell Ab- nutzungsspuren bekommen. Aber beides fällt kaum ins Gewicht.
Zweites Steuerelement ist der All-Sack, in den einfach alles hineingeworfen wird, was zum Fortgang des Spiels beitragen soll: Scheiben in Spieler- und Feindfarben zur Festlegung der Zugreihenfolge, kleine Würfel, die über Erfolge und Misserfolge von Aktionen entscheiden, Siegel, die Spielplanveränderungen auslösen. Die Holzwürfelchen gibt es in zwei Farben – wir sind daran interessiert, möglichst viele weiße in den Beutel zu bekommen, um unsere Erfolgschancen beim Ziehen zu maximieren. Dafür müssen wir in der Bewegungsphase auf unsere längste Fi- gur verzichten und können so weniger Strecke machen. Meist lohnt sich das. Wir müssen aber immer im Blick behalten, wieviel Hoffnung es noch gibt und wie sehr wir uns beeilen müssen – wenn der Minnesänger auf dem Hoffnungsbanner die Null erreicht, ist das Ende nah. Wenn keine Sanduhr mehr das Buchsymbol auf dem Spielplan ziert, ist alles verloren.
Faszinierend, wie das Adventskalender- prinzip des Plans zeitliche Abläufe un- mittelbar sichtbar macht. Ein Feld kann eine Kutsche zeigen – wenn sie losfährt, wird das Plättchen umgedreht, schwupp, ist da, wo Kutsche war, nur noch Straße, die Kutsche aber erscheint nun im Burg- hof. So bildet der Spielplan das Gesche- hen denkbar dynamisch ab. Was wo pas- siert, ist natürlich von Kapitel zu Kapitel unterschiedlich: Je nachdem, wo in der Geschichte man ist, welche Figur inter- agiert und welche Entscheidungen man
trifft (und zuvor bereits getroffen hat), geben die Personen, mit denen man es zu tun bekommt, andere Informationen. Im Laufe des Spiels werden nebenbei kom- plexere Aktionsmöglichkeiten eingeführt.
Natürlich ist bei einem solchen Aben- teuerbuch-Spiel der Wiederspielreiz nicht allzu groß. Zwar waltet auch hier Menzels löbliche Detailliebe: Wer zum zweiten Mal an denselben Ort kommt, erlebt dort nicht dasselbe noch einmal, sondern eine zweite Variante. Und man sollte kein Ken- ner- oder Expertenspiel erwarten. Für Leu- te, die strategisch unterwegs sind, sind die Aufgaben oft zu einfach, in den Inter- aktionen ist die Zaunpfahldichte bei den Hinweisen groß – und oft ist das Spiel auch einfach ein bisschen zu glückslastig.
Kleine Regelanpassungen für etwas mehr Herausforderung finden sich auf der Seite die-abenteuer-des-robin-hood. de, wo es auch ein Solo-Szenario und ein erstes kostenloses Bonus-Abenteuer gibt. Wie wichtig es ist, die Community zu pflegen, hat Menzels großer Erfolg Die
Legenden von Andor gezeigt, bei dem Fans bald eigene Szenarien beisteuerten – und auch für Robin Hood ist bereits die erste Fan-Geschichte angekündigt.
Ein weiterer klarer Vorteil des Spiels ist seine Eignung für missionarische Ein- sätze: Wer Leute an den Tisch bekommen möchte, die von kompliziertem Regelwerk abgeschreckt werden, bekommt mit Ro- bin Hood ein feines Einsteigerspiel mit verlockendem haptischen und optischen Aufforderungscharakter. Oder weniger komplex ausgedrückt: Damit kriegen wir sie alle.
     Titel:
Autor: Illustration: Verlag: Personen: Alter: Dauer: Preis:
Die Abenteuer des Robin Hood
Michael Menzel
Michael Menzel
Kosmos
2 – 4
ab ca. 10 Jahren ca. 60 Minuten ca. 50 Euro
Kritiker Spielreiz
Maren Hoffmann 8
Udo Bartsch 7
Sehr innovativ, wie uns das Spiel Geschichten erleben lässt.
Andreas Becker 8
So geht Immersion. Grandios auch, dass sich die Geschichten ändern, wenn ein Abenteuer verloren wurde. Die Liebe, die in das Spiel gesteckt wurde, ist in jeder Partie unmittelbar zu spüren. Dass statt auf Hunderte Karten auf ein gebundenes Buch gesetzt wurde, rundet den starken Eindruck ab.
L.U. Dikus 8
Durch originelle Adventskalender- technik zum Brettspiel veredeltes Aben- teuerspielbuch, gewürzt mit einer Prise Bag Building, allerdings verbunden mit einem nicht unerheblichen Bedie- nungsaufwand, der manchem das Ein- tauchen in die Geschichte schwerfallen und die Plättchen leiden lässt.
Stefan Ducksch 8
Viele frische Ideen machen die
Auch wenn manchmal eine Prise Glück beim Ziehen der Scheiben nötig ist, liebe ich die Idee und das immersive Spielerlebnis. Chapeau!
Harald Schrapers
Ein atmosphärisch dichtes Kampag- nenspiel, das die Idee des Kooperativen gut umsetzt, weil es große Spielräume eröffnet. Damit können auch ältere Kinder gleichberechtig mitentscheiden. Mit Ausnahme des vierten Kapitels, in dem man sehr unbefriedigend in einer Art Sackgasse landen kann, sind die unterschiedlichen Szenarien gut zu meistern. Michael Menzel hat sich mit dem Verzicht auf ein Schachbrett- oder Hexfeldmuster große gestalterische Freiheiten gegeben, die er zu nutzen wusste. Auch die Spielenden fühlen diese Freiheit, wenn sie ihre Figuren be- wegen, weil es eben kein dogmatisch- präzises Vorwärtssetzen gibt.
8
klassische Robin-Hood-Geschichte für Familien völlig neu erlebbar. Selten war die Beschäftigung mit einem Spielplan so intensiv wie hier. Nur die Nutzung der Baumbrücken könnte besser erklärt sein.
Stephan Kessler 6
Die innovative Grundidee bricht bei mir nicht vollends durch.
Marie Poenisch 10
Christoph Schlewinski 7
Tolle Idee und tolle Umsetzung. Ein paar mehr „Cliffhanger“ wären schön gewesen, denn so spielt man eine Geschichte, die man schon sehr oft gehört hat.
spielbox   15
 




























































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