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    Ernüchterung breit. Die Technologie- karten – das Herz des Spiels – tragen zwar martialische Namen wie „Plas- ma-Kanone“ oder „Humanexperi-
mente“, zeigen aber keinerlei Grafi- ken, sondern kommen in schlichtem Weiß daher. Vom Sex-Appeal erin-
nert das eher an Excel als an En- terprise. Aber je länger das Spiel dauert, desto klarer wird, dass diese Gestaltung dringend not-
wendig ist. Je nach Verlauf werden auf dem Hauptbrett mehr als ein Dutzend neuer Karten freigeschal- tet, was nach und nach zu einem
kleinen Wimmelbild ausartet. Die grafische Schlichtheit hilft also, die Übersicht zu behalten.
Im Spiel agieren wir an zwei Fronten: Auf dem Hauptplan schalten wir bessere Aktionen
frei, auf dem Erkundungsbrett rangeln wir um Mehrheiten auf den Planeten. Das Techno- logiebrett ist in den ersten Partien hoch motivierend, denn man wartet gespannt, welche coolen Aktionen durch Karten wie „Androiden-Armada“ oder „Galaktisches
Imperium“ freigeschaltet werden.
Auch inhaltlich ist Beyond the Sun nüchterner als erwartet, denn wirklich spektakuläre Aktionen kommen gar nicht ins Spiel, sondern nur effizientere Varian- ten der Standardaktionen: Bewege deine Schiffe mehr Felder. Kolonisiere einen Planeten billiger. Baue stärkere Raum- schiffe. Auf dem Technologieplan ist also chirurgische Präzision gefragt, wer gieß- kannenmäßig alles erforscht, was gebo- ten wird, hat am Ende nur x verschiedene
Wege, immer dasselbe zu machen.
Etwas mehr Action bieten dagegen die
Erkundungen. Die
Planeten verbes-
sern unseren Ma-
terialnachschub
nachhaltig und
sind gleichzeitig
lukrative Punktequellen.
Die Anzahl an Planetenkarten ist dabei so klein, dass es immer irgendwo Zoff um die Mehrheit gibt. Das macht das Spiel angenehm interaktiv, ohne dass es des- truktiv wird. Sobald wir einen Planeten erobert haben, gehen die eigenen Schiffe vom Brett und machen so Platz für die Konkurrenz. Und obwohl jeder nur einen Aktionsmarker hat, herrscht auch auf dem Technologiebrett mehr Gedrängel, als man meint, denn die wenigen wirklich preiswerten zentralen Aktionen sind stets begehrt.
Auf der emotionalen Ebene bleibt Be- yond the Sun trotzdem eher zahm. Große Aha-Momente und spektakuläre Aktio- nen bleiben aus. Wir sind motiviert, eine gute Maschine aufzubauen, möglichst flink Planeten zu besiedeln und Ziele zu erreichen, aber auf mechanischer Ebene fühlt sich alles ein wenig austauschbar an. Die Planeten und Technologien sind sich alle irgendwie ähnlich, sodass es in den meisten Fällen zweitrangig ist, was nachgezogen wird. Wirklich reizvoll ist dagegen das Jonglieren mit den begrenz- ten Aktionswürfeln, das einen wie bei Through the Ages immer wieder zum Haareraufen bringt, weil stets irgendwo irgendwelche Ressourcen fehlen.
Ist Beyond the Sun nun das bessere, weil schlankere Eclipse? Eindeutig nein. Aber auch nicht schlechter, sondern schlichtweg anders. Thematisch und von einigen wenigen Mechanismen her
gibt es zwar eine gewisse Ähnlich- keit, aber ansonsten sind es komplett unterschiedliche Titel: Eclipse ist episches Drei-Stunden-Wettrüsten für große Runden, das mit spektakulären Schlachten aufwartet, in denen die Neu- tronenbombe genau das tut, was man
von ihr erwartet.
Beyond the Sun, das voraussicht-
lich im dritten Quartal auf Deutsch bei Strohmann Games erscheint, ist dagegen ein rundes und eher friedlich-abstraktes Eurogame-Rennen um optimale Ressour- cennutzung, das in geübter Runde in 70 Minuten runtergezockt wird und das in jeder Besetzung tadellos funktioniert. Am Ende aber gilt: Beyond the Sun wird we- sentlich häufiger auf den Tisch kommen, denn es bietet gute Unterhaltung, ohne dass man sich dafür einen halben Tag Urlaub nehmen müsste.
    Titel: Autor: Illustration: Verlag:
Personen: Alter: Dauer: Preis:
Beyond the Sun Dennis K. Chan Franz Vohwinkel Rio Grande Games, Strohmann Games 2 – 4
ab ca. 12 Jahren
ca. 60 – 120 Minuten ca. 60 Euro
 Kritiker Spielreiz
Gerald Rüscher 7
Alan How 9
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