Page 60 - Spielbox 05/17 Deutsch
P. 60

SPIELWIESE
5-Minute Dungeon
In epischen Würfelschlachten 222 Goblins niederringen, mit dem raff- gierigen Gruppenzwerg um drei po-
pelige Kupferstücke feilschen, zuvor 700 Seiten lange Regelbücher wälzen – ach, was haben wir damals nicht alles erlebt! Unsere Jugend verbrachten wir in einer Blase purer Glückseligkeit.
Aber woher nahmen wir bloß die Zeit, um mehrere Stunden am Stück ein- und derselben Beschäftigung nachzugehen? Heute undenkbar. Und nicht nur für uns. Auch Endbosse haben nicht mehr die Muße, um stundenlang in ihrem Dun- geon Däumchen zu drehen, bis ein paar hergelaufene Helden endlich geruhen herzulaufen. Der hiesige Oberschurke kann uns einen time slot von gerade mal fünf Minuten einräumen. Das ist wenig, passt aber schon, entspricht es doch ziemlich genau
hat (bei vier oder fünf Mitwirkenden) drei Handkarten. Falls weniger, darf er jeder- zeit nachziehen. Die Gruppe gemeinsam muss nun drei gelbe Schilde in die Mitte werfen. Absprachen wären erlaubt. Aus Zeitmangel wird aber gerne darauf ver- zichtet. Wenn deswegen vier oder fünf Schilde geworfen werden, ist das kein Trinkgeld, sondern Lehrgeld. Der Über- schuss muss wieder aufgeklaubt werden. Die restlichen Karten wischt man beisei- te, weg damit, weiter.
Das muntere Metzeln stockt immer dann, wenn die Gruppe die geforderten Symbole nicht zusammenkratzen kann. Hoffentlich hat jetzt wenigstens jemand eine der Sonderkarten, die es erlauben, Bedrohungen auf einen Schlag zu besei- tigen oder die Zeit anzuhalten, um sich
zu beraten sowie ne- benbei kurz mal die Mails zu checken und eine Online-
bestellung aufzu- geben. Falls nicht, helfen eventuell noch Spezialfähig-
keiten. Jeder Held hat eine. Legt der Barbar drei belie- bige Karten ab,
besiegt er damit ein Monster. Legt die Walkü-
re drei Karten ab, zieht jeder andere zwei
Karten.
Eine Grup-
pe, die zu vie- le Karten oder zu viel Zeit verplempert, scheitert. Manchmal ist es auch Pech. Schicksalhaft wirken sich erstens die in den Stapel gemischten Mini-Bosse aus, die bis zu sechs Symbole verlangen, zwei- tens Ereignisse, die im schlimmsten Fall sämtliche Handkarten sämtlicher Helden pulverisieren, was besonders dann tra- gisch ist, wenn die Gruppe durch Tricks und Zaubereien auf großen Beständen
hockt.
Zu dritt ist die Aufgabe am schwierigs-
ten. Denn jeder Held spielt mit einem speziellen Deck, das unterschiedliche Sonderkarten und ungleich verteilte Sym- bolkarten enthält. Der Barbar führt eine Extraladung rote Schwerter mit sich, die
Jägerin viele grüne Pfeile. Im Dreierspiel sind zwei Farben in der Gruppe zwangs- läufig unterrepräsentiert, der Mangel lässt sich nicht in jeder Partie kompensie- ren. Die unterschiedlichen Decks befruch- ten zwar das Spiel, wenn auch auf Kosten der Balance.
Eine Fünfergruppe erfahrener Spieler muss sich keine besonderen Sorgen ma- chen. Selbst im höchsten Level stehen am Ende oft noch eine Minute und mehr auf der Uhr. Wobei anzumerken ist, dass dem Spiel gar keine Uhr beiliegt, weil der Ver- lag offenbar davon ausgeht, dass in der Generation Smartphone ganz selbstver- ständlich jeder ein Smartphone besitzt, um die zugehörige App herunterzuladen oder wenigstens die Zeit zu stoppen.
5-Minute Dungeon krankt an seinem zu geringen Schwierigkeitsgrad. Niederlagen sind die Ausnahme. Um es spannender zu gestalten, haben wir zu fünft schon gegen drei Endbosse auf einmal gekämpft – und gewonnen. Trotzdem sind die meisten Be- teiligten gerne wieder mit von der Partie. Obwohl man weiß, wie es höchstwahr- scheinlich ausgeht: Die Stimmung stimmt im Partydungeon. Es fliegen die Karten, sie werden weggewischt, es fliegen noch mehr Karten, ein Monster erscheint, zack, bumm, knuff. „Lasst mich!“ ruft der Bar- bar, der ein Hindernis mit nur einer Kar- te überwinden könnte, doch zu spät, die anderen haben längst Symbole gespielt. Gucken, machen, nachziehen, die schnel- le Taktung reißt einfach mit. Sähe man genau hin, wozu natürlich keine Zeit ist, bemerkte man obendrein, wie schön iro- nisch die Gegnerkarten gestaltet sind.
5-Minute Dungeon ist eine nahezu run- de Sache und die (noch?) leeren Fächer im Kasten mag man als Andeutung ver- stehen, dass da mehr kommen könnte. Nur zu! Vor allem ein paar mehr Probleme wären schön. So wie damals im Dungeon, als der blöde Zwerg allen Ernstes die gol- dene Tür mitschleifen wollte, während 95 Skelette auf die Gruppe zurannten und dann ... na ja, drei Tote. Aber schön war’s.
Udo Bartsch
unserer Aufmerksamkeitsspanne zwischen dem Eintreffen zweier Whats- App-Nachrichten.
Der Speed-Dungeon reduziert Dun- geons, wie wir sie von früher kennen, auf ihre echte Essenz: Monster? Draufhauen! Hindernis? Drüberspringen! Fremde Per- son? Erst mal kennenlern ... draufhauen! Und immer so weiter bis zum Endboss. Monster, Hindernisse, Personen stecken in einem Kartenstapel. Eine Karte nach der anderen wird aufgedeckt und abser- viert.
„Ein Kaktus, der umarmen will“ erfor- dert zu seiner Unschädlichmachung drei- mal das Symbol „Schild“. Und jeder Held
SUPER
GUT
GEHT SO
SCHWACH
58
5-Minute Dungeon (Kos-
mos) von Connor Read;
für 2–5 Personen ab ca. 8
Jahren; Spieldauer: ca. 5 Minuten; Preis: ca. 25 €.
spielbox


































































































   58   59   60   61   62