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KRITIK
Lotus
Launische Schönheit
Ein Kartenspiel ist ein Kartenspiel ist ein Kartenspiel. Klagen über eine schlech- te Starthand oder Pech beim Nachziehen gehören naturgemäß zu seiner Begleit- musik. In der Sache selbst hilft nur tapferes Bemühen um Schadenbegrenzung. Oder Liebesentzug. Doch wer will schon derart radikal reagieren, wenn sich das Objekt der Begierde so überaus lieblich zu präsentieren versteht, wie dies etwa bei Lotus der Fall ist?
Hand, die zum Abschluss des Zuges wie- der aufgefüllt wird. Ausgespielt werden dürfen zunächst nur eine oder zwei glei- che Karten. Doch da ein Zug aus zwei Aktionen besteht, lassen sich bis zu vier Blätter derselben Art auf einmal platzie- ren. Kleinere Blüten können auf diese Weise aus eigener Kraft hervorgezaubert werden, bei größeren mit bis zu sieben Blättern bedarf es dagegen eigener oder besser noch: fremder Vorarbeit.
I Der unfreiwilligen Rolle entkommen
Um nun gezielt eine solch starke Hand
aufbauen zu können, bestehen zwei Alter- nativen. Entweder man bedient sich beim Nachziehen aus dem allgemeinen Ange- bot von vier Karten mit Blütenblättern,
die allerdings insektenfrei sind und deshalb nicht dazu bei- tragen, die eigene Prä- senz auf der Blüte zu verstärken. Oder man schiebt bis zu zwei Handkarten unter sein Deck in der Hoffnung, et- was Passendes nachzuziehen, ohne dass die Konkurrenz Wind vom damit ver- folgten Plan bekommt. Et- was schmerzlich ist dabei freilich, dass ein solcher Tausch als Aktion zählt. Mag deren Ausgang auch ungewiss sein, bietet sie den mitunter nützlichen Nebeneffekt, der Rolle ei- nes unfreiwilligen Vorlagengebers zu
entkommen.
Als dritte Akti-
onsform kann eines der beiden winzigen Insekten der eigenen
Farbe auf einer noch unfertigen Blüte platziert wer-
den, sei es von außen oder durch Wechsel von ei-
ner anderen Blüte. Damit lässt sich
eine Mehrheit zu abschreckendem Umfang ausbauen oder überfallartig erringen, um dafür die Belohnung einzu- streichen.
Das Cover der kompakten Schach- tel zeigt eine asiatische Schön- heit, die mit geschlossenen Au-
gen und leicht geöffnetem Mund ganz in sich versunken zwischen ihren Händen eine von innen leuchtende Lotusblü-
te schweben lässt. Scheinbar mit-
tels purer Willenskraft. Ein ge- radezu magischer Effekt, der noch dadurch verstärkt wird, dass die Blüte wie sonst nur noch der Schrift- zug des Titels mit reflektie- rendem Glanzlack gedruckt ist.
Sehr ansprechend auch die Gestaltung der Kar-
ten, die einzelne Blütenblätter in
fünf Formen
und Farben
zeigen und die
beim Ausspie-
len nicht einfach
nach Motiven getrennt ne- beneinander zu liegen
kommen.
Vielmehr
werden sie gemäß einer zart einge- zeichneten Vorgabe je nach Anzahl mehr oder weniger stark versetzt übereinander drapiert, sodass sich schließlich eine voll- ständige Blüte ergibt. Ein Anblick, fast zu schade, um ihn sogleich wieder durch Ab- räumen zu beenden.
Doch ist diese Ernte unvermeidlich, bringt jede Karte ihrem Besitzer doch am Schluss einen Siegpunkt. Zur Inbesitznah-
me berechtigt ist, wer zu dem Gemein- schaftswerk das letzte Blütenblatt beige- steuert hat. Die zugleich ausgeschüttete Belohnung erhält dagegen, wer die meis-
ten Wächtersymbole auf der Blüte vor- weisen kann. Was bei
der Entscheidung, ob man zur Vollendung der Blüte schrei- ten soll, natürlich be-
dacht sein will.
An einem Gleichstand Beteiligte werden alle belohnt.
Jeder Teilnehmer verfügt über einen ei- genen Satz Karten gleicher Zusammen- setzung. Die meisten davon tragen neben dem Blütenblatt ein einzelnes Insekt als sog. Wächter und nur eine Karte in jeder Blütenart deren zwei. Vier vom gemisch- ten Deck gezogene Karten bilden die
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