Page 25 - Spielbox 05/17 Deutsch
P. 25

decker den Enterhaken gegen einen der anderen Mitspieler. Diese dürfen sich aber gegen notorische Lügner wehren. „Das ist ja gar kein Enterhaken“, sagt der Angegriffene. Schon muss der Schwindler seine angebliche Enterhakenkarte aufde- cken und eine Strafmünze bezahlen. Falls er aber doch die Wahrheit gesagt hat, wechselt die Münze in anderer Richtung den Besitzer. Selbstverständlich darf aufs Anzweifeln verzichtet werden. Dann bleibt die Karte dauerhaft verdeckt vor ihrem Besitzer liegen.
Vier Leute sollten am Tisch sitzen, da- mit sich der Kapitän wenigstens drei Ent- deckern gegenübersieht und sich eine unterhaltsame Partie entwickeln kann. Aber es gibt nicht nur Kapitän und Entde- cker, sondern alle nehmen noch eine wei-
tere Rolle ein. Zu viert gibt es Lys, Red, Moon und Nostromo, die jeder
bestimmte Privilegien
besitzen: Lys löst bei der Schlusswertung Gleichstände zu ihren Gunsten auf; Red gewinnt eine zusätzliche Münze, wenn er der Ärmste ist; Moon kann Karten wieder verdecken, die sie offen auslegen musste, während Nostromo einen Kartenbonus bekommt, wenn er eine Meuterei gegen den Captain anzettelt.
Der Kapitän bleibt nämlich nicht auf ewig am Drücker. Jeder Entdecker muss zu Beginn seines Zuges prüfen (was leicht einmal vergessen wird), ob er mehr Münzen als der Kapitänsspieler besitzt. In diesem Fall wird der Entdecker befördert und gewinnt eine Münze. Wenn er auf die Meuterei verzichten möchte, müsste er eine Münze an den Kapitän be-
zahlen – was deswegen kaum vorkommt.
I Bluffen, aber wie?
Solange man das Wechselspiel von
Wahrheit und Lüge nicht hinterfragt, spielt man Oh Captain flockig herunter. Beginnt man aber nachzudenken, wachsen die ZweifelamSinndesTuns.Leidergibtes kaum einen Anhaltspunkt, begründet zu vermuten, dass der Gegner blufft. Bei an- deren Spielen weiß man von den unter- schiedlichen Risiken, um die es geht. Wenn der Einsatz besonders hoch ist, geht je- mand auch schon mal ein sehr hohes Risi- ko ein. Hier aber scheint die Wahrschein- lichkeit, dass man die Wahrheit sagt oder lügt, durchweg bei 1 zu 1 zu liegen. Außer beim „Nukha-Ei“, denn bei dem ist man gezwungen, die Unwahrheit zu sagen. Dieses „es kann so sein oder genauso
andersrum“ sorgt sowohl beim aktiven als auch beim passiven Spieler für eine gewis- se Eintönigkeit und es entsteht kein beson- ders fesselnder Spannungsbogen.
Hinzu kommt, dass ich auch nach ei- nem Dutzend Partien, manch haushohem Sieg und einigen heftigen Niederlagen immer noch nicht weiß, wie man gewin- nen kann. Die krassen Siegpunktdifferen- zen sind sehr auffällig. Trotzdem ist es vielleicht ungerecht, so
ein einfaches Bluff-
spiel mit tiefschür-
fenden taktischen
Überlegungen zu
überfrachten. In den
ersten lockeren Partien
habe ich mich an diese
Maßgabe gehalten.
Und habe gehofft, dass
sich mir eine sinnvolle
spielerische Taktik intuitiv
erschließt. Aber leider ist
es dazu nie gekommen. Ich
weiß noch nicht mal, ob es
allein der Zufallsfaktor ist, der Oh Captain bestimmt.
Leider wirkt das aus Frankreich kom- mende Spiel überfrachtet, und der Ein- stieg ist durchaus gewöhnungsbedürf- tig. Den lockeren Bluff, der den Kern des Ganzen darstellt, muss man sich also erst einmal erarbeiten.
Harald Schrapers
Titel: Verlag: Autor: Grafik: Spieler: Alter: Dauer: Sprache: Preis:
Oh Captain! Ludonaute Florian Sirieix Max Degen u. a. 3–6
ab ca. 8 Jahren
ca. 20–30 Minuten Deutsch
ca. 30 €
Kritiker Spielreiz
gu
g
h
g
ut
t a
au
uc
ch
Harald Schrapers . . . . . . . . . . . . .
Udo Bartsch* . . . . . . . . . . . . . . . . Christwart Conrad ........... . L. U. Dikus** . . . . . .......... . . Stefan Ducksch . . . ........... . Wieland Herold . . . .......... . .
6
. 4 5 6 5 5
* Unintuitiv und eindimensional.
** Zu dritt leider Rohrkrepierer. Gewöh- nungsbedürftiger Einstieg, dann aber flott und witzig.
23
spielbox


































































































   23   24   25   26   27