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KRITIK
Chili sin carne
Vor gut 100 Jahren entwickelte der Pharmakologe WilburL.Scoville eine Skala, welche die Schärfe von Paprikaschoten abschätzt. Während ei- nem Vergleich dazumal nur subjektive Geschmackseindrücke zugrunde lagen, wird er heutzutage anhand des in der getrockneten Frucht enthal- tenen Capsaicins gemessen, das die Schleimhäute reizt. Auf Basis dieser wahren Geschichte fabuliert der Herausgeber des Spieles Scoville von einer gleichnamigen Stadt, die ein Festival abhält und dabei den Pflanzer, der die schärfsten Chilis produziert, prämiert.
Der Spielplan weist 80 Loch- stanzungen auf, die passge- nau jeweils eine der vielen
hölzernen Schoten fassen. Sie sind ein echter Blickfang. Ihre Differenzierung in zehn Farben erinnert an das Farb- mischprinzip, welches von Fresko be- kannt ist. Die niedrigsten Schoten sind gelb, rot und blau, die drei daraus ent- stehenden Mischfarben ersten Grades orange, grün und violett. Eine weitere Verarbeitungsstufe höher stehen die braunen, die aus einer Basis- und einer Mischfarbe entstehen, während Misch- farben zu kombinieren weiß oder schwarz ergibt. Werden letztere ge- mischt, ergibt sich die wertvollste und zugleich auch räumlich betrachtet höchste Schote. Als einzige ist sie nicht aus Holz, sondern aus transparentem Kunststoff gefertigt. Die Schotensorten entstehen hier allerdings nicht wie Far- ben durch Vermischung, sondern wer- den auf dem großen Spielfeld durch Kreuzung gezüchtet.
Nachdem die aktuelle Reihenfolge durch geheime Gebote festgelegt wor- den ist, wählt jeder aus einem kosten- losen Angebot eine Schote, im besten Fall auch deren zwei oder drei, und pflanzt dann eine von seinem Vorrat auf ein freies Feld ein, das zu einem be- pflanzten benachbart sein muss. Die Pflanzung der ersten höherwertigen Chilis wird mit Prämientafeln belohnt. Damit entsteht der (spieldynamisch
die besonders scharfen Schoten bald zu pflanzen und nicht für die spätere Auf- tragserfüllung zu horten.
Geerntet wird in umgekehrter Rei- henfolge. Der letzte Pflanzer bewegt dazu als Erster seinen Bauern um drei Schritte zwischen den Schoten voran. Dabei darf er links und rechts abbie- gen, aber nicht kehrtmachen. Nach je- dem Schritt erntet er gemäß dem be- reits erläuterten Mischungsverhältnis; zwei gleichfarbige Schoten erzeugen – bis auf die Mischfarben ersten Grades – einen Zweierpack ebensolcher. Das Pflanzareal wird dabei nicht geleert, sondern der Vorrat stellt alle Ernteerträ- ge bereit.
Es folgt die Phase Erfüllung der Auf- träge, nun wieder in der üblichen Rei- henfolge. Dazu liegen an zwei Stellen neben dem Plan Karten aus, die ange- ben, was man abgeben muss, um die aufgedruckte Belohnung zu bekom- men. Auf dem Bauernmarkt könnte bei- spielsweise eine gelbe und eine orange Schote gefragt sein, wofür im Gegen- zug eine braune und drei Dollar herge- geben werden; dazu liefert der virtuelle Kunde noch einen Siegpunkt.
I Seht die Vögel unter dem Himmel, sie säen nicht ... Beim Kochwettbewerb gilt es, Rezep-
te zu erfüllen. So lässt die Kombination aus einer grünen, orangen und gelben Schote des Minnesängers Mund schmelzen, der dafür fünf Punkte ver- gibt. Natürlich gilt hier das Prinzip, wer zuerst kommt (erfüllt), mahlt zuerst. Und je schärfer die Zusammenstellung ausfällt, also je höher der „Mischungs- grad“, desto besser wird sie auch be- wertet.
Gespielt wird in zwei Durchgängen. Wenn die Bauernmarktkarten des „Vor- mittags“ zur Neige gehen, werden sie
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Scoville
lung vom Ablauf at und nach der zwei- en die realistische Chan- ce, den Mitspielern eine sinn- volle Erklärung bieten zu kön- nen. Dabei hilft auch das clevere, alphabetisch sortierte Referenzhand- buch, dass nahezu keine Frage offenlässt. Zusammen mit der stimmigen Grafik und dem hübschen Material eine absolut run-
de Umsetzung.
Die Spielausgänge bei New Angeles
sind sehr unterschiedlich. Mal verliert wirklich nur genau einer am Tisch, mal aber auch alle, weil zwei di- rekte Kontrahen- ten punktgleich sind und ein drit- ter Spieler seine eigene Konzern- karte gezogen hat. Sein Ziel heißt daraufhin: Mindestens zwei andere Spie- ler hinter sich zu lassen. Was klappen kann, weil man ja niemandes Feind ist. Und dann wieder siegt der Föderalist, wenn die allzu sorglose Gruppe bereits nach fünf von sechs Runden abgeschos- sen wird, weil die Produktion zu sehr lahmt. Dann übernimmt eben doch der Staat. Aber das muss ja nicht sein. Meist ist der ja schon mit einem Aufsichtsrats- posten zufrieden. Stefan Ducksch
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nach der ers- ten Lektüre bereits eine Vor-
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Titel: Verlag: Autor: Grafik: Spieler: Alter: Dauer: Sprache: Preis:
New Angeles
Fantasy Flight Games James Kniffen
Shaun Boyke u. a. 4–6
ab ca. 14 Jahren
ca. 120–240 Minuten Deutsch
ca. 60 €
Kritiker Spielreiz
Stefan Ducksch . . . . . . . . . . . . . . . 7
Oliver Grimm*. . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Matthias Hardel . . . . . . . . . . . . . . 7
* Rundum gelungenes „Koop mit poten- ziellem Verräter“.
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