Page 19 - Spielbox 05/17 Deutsch
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Das ist leider zu stark und wirbelt alles durcheinander.
Denn es geht eng zu und es wird, die richtige Runde vorausgesetzt, viel disku- tiert, verhandelt und ausbalanciert. Ver- sprochen und gleich wieder gebrochen. Am besten spielt sich New Angeles zu fünft oder in Vollbesetzung. Zu viert sind lediglich die beiden anderen, nicht Vor- schlag gebenden Konzernführer abstim- mungsberechtigt. Hier fehlen häufig Ver- handlungsoptionen, und Koalitionen wechseln nur selten. Doch das Spiel lebt
von Diskussionen, Bluffs
und unmoralischen Angeboten. New An- geles ist vor allem das, was die Beteilig- ten daraus machen.
I Unfähigkeit wird auf Dauer nicht geduldet
Wer es nur runterzockt und wenig han-
delt, kann zwar in zwei Stunden durch- kommen, wird aber enttäuscht sein. Er erlebt zwar, wie zweimal in den drei Spiel- abschnitten die ausgeschickten Androi- den in Stadtteilen Waren produzieren, die nachher für Ausschüttungen an die Kon- zerne sorgen – oder für Strafen, sofern die Vorgaben nicht erreicht wurden. Ansons- ten ähnelt New Angeles dann lediglich vielen semi-kooperativen Spielen, in de- nen man sich gemeinsam einer Bedro- hung stellt.
Die gibt es hier natürlich auch: Der so ferne Staat beendet die Partie, wenn die Unternehmer ihre Unfähigkeit eindrück- lich unter Beweis gestellt haben. Die kri- tischen 25 Punkte werden erreicht, wenn wir nicht genügend produzieren, aber auch, wenn wir Krankheiten, Streiks und Kriminelle in New Angeles nicht in den Griff bekommen. Müsste
ein Krankheitsmarker oder eine Gangster- figur an einer Stelle platziert werden, wo schon Gleiches vorhanden ist, kommt der Neuzugang einen Stadtteil weiter, sofern der noch frei ist.
So füllt sich die Stadt immer mehr, falls wir nicht rechtzeitig ein-
greifen. Irgendwann rotieren die neuen Marker dann direkt bis zum Ende in „die Wurzel“, wodurch sie den Bedrohungs- marker gleich zwei Schritte voranschub- sen. Zum Glück wissen wir eine Runde im Voraus, welche Art Bedrohung zunehmen wird. Wir könnten also rechtzeitig Vorkeh- rungen treffen. Aber können natürlich auch stattdessen Geld machen. Sollen sich doch die anderen kümmern!
Ist die Gruppe versiert und verhand- lungsbereit, bleibt das Feld meist sehr lange dicht beisammen. Gelingt es je- mandem, sich verdächtig weit abzu- setzen, könnte das der kon-
zern- und gegnerlose Föderalist
sein, der
das Gelingen sabo-
tiert. In der Regel entscheidet sich New Angeles aber binnen der letzten zwei, drei Züge, weil jeder jetzt versucht, den persönlichen Gegner zu distanzieren, ohne dass der vielleicht noch antworten kann. Wer jetzt allerdings nicht die richti- gen Karten hat, nicht die passenden
Bündnisse findet, wird abgehängt. Das kann blitzschnell gehen und birgt Frustpotenzial. Denn wer bereits drei Stunden oder mehr mitgerun- gen hat und dann von den ande- ren kalt lächelnd mit wenigen Akti- onen abserviert wird, hat daran
schon mächtig zu knabbern.
So fiel die Bilanz in meinen Gruppen
auch sehr zwiespältig aus: Alle hatten Spaß an der Story und der Aufgabe, ei- nen nur ihnen bekannten Gegner zu be- zwingen. Nicht alle mochten so intensiv verhandeln. Die lange Dauer wurde häu- fig von denen bemängelt, die erkannten, das sie strukturell dem Mechanismus ge- schuldet ist. Denn es braucht seine Zeit, bis so viele Einheiten und Marker auf dem Plan sind, dass die Stadt wirklich zu kolla- bieren droht. Wer allerdings häufiger spielt, dämmt schon früher mal die Bedro-
hungen präventiv ein.
I Absolut runde Umsetzung Zu loben ist die gut strukturierte
Spielanleitung, die auf zwanzig Sei- ten auch viel Platz für Flavour- text zu Konzernen und Stadt-
teilen bietet und bei al-
ler Komplexität so strukturiert ist, dass man
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