Page 40 - Spielbox_1_2022_gesamt
P. 40

Interview. Sébastien Pau
chon
   Sébastien Pauchon wurde in Mon- treux in der Schweiz (bekannt für sein Internationales Jazzfestival) am Ufer des Genfersees geboren. Die Familie zog mehrmals um, unter anderem verbrachte sie drei Jahre in der Deutschschweiz, was dem jungen Sébastien die Möglichkeit gab, Deutsch und Schweizerdeutsch relativ mühelos zu lernen. Das gab ihm auch das Selbstvertrauen, es ebenfalls mit anderen Sprachen zu versuchen, darunter Englisch und Italienisch. Sein Englisch ist sogar exzellent. Er erklärt, dass er es deshalb so gut beherrsche, weil er sehr viel Zeit in der Billard-Kneipe von Montreux verbracht habe, die voller ausländischer Schüler aus den verschiedenen internationa- len Schulen der Stadt gewesen sei. Er fügt hinzu: „Nachdem ich Stephen Kings ‚Brennen muss Sa- lem‘ gelesen hatte, war ich süch- tig. Seitdem lese ich nur noch Romane auf Englisch.“ In seinen Zwanzigern landete er in Vevey am Genfersee, wo er immer noch lebt, in der Nähe von La Tour- de-Peilz, dem Sitz des Schweizer Spielmuseums. Von da an wurde sein Leben zu einem Leben mit drei B: Bücher, Billard, Brettspiele.
38   spielbox
zu werden – und ich bin bis 2001 dabei- geblieben. Zum Abschluss meiner Karrie- re habe ich zusammen mit Yvan Luccarini ein Buch über Billard geschrieben, illus- triert und veröffentlicht: „le billard.ch“. Du hast es selbst illustriert?
Ich habe einmal etwas über Grafikdesign gelernt, weil ich zusammen mit einem Profi Snowboards entworfen habe.
Kam über das Billardspiel – quasi über Bande – auch die Verbindung zu Spie- len zustande?
Es gab keine wirkliche Verbindung zwi- schen Billard und Brett- oder Kartenspie- len – abgesehen von den gemeinsamen Aspekten der Strategie, des Wettbewerbs und manchmal der Geschicklichkeit. Wichtiger war dafür das Buchprojekt. Das Entwerfen, Veröffentlichen und Arbeiten als Projektleiter gaben mir genug Selbst- vertrauen, um 2006 zusammen mit Mal- colm Braff einen Spieleverlag namens GameWorks zu gründen. Malcolm ist üb- rigens in erster Linie Jazzpianist.
Zu diesem Zeitpunkt hattest du bereits eine junge Familie. Hat dies das Ende deiner Billard-Zeit beschleunigt?
Meine Frau Catherine und ich bekamen im Jahr 2000 eine Tochter, Salomé, ge- nau als ich das Billardbuch fertiggestellt hatte. Ich wollte nicht die ganze Zeit auf Turnieren und Wettkämpfen unterwegs sein. Etwa zu dieser Zeit hatte ich meinen ersten Kontakt mit modernen Spielen. Mit welchem?
Mein Schwager bekam ein Exemplar von Condottiere geschenkt. Was war das für eine Überraschung: ein Brettspiel mit Karten! Oder ein Kartenspiel mit einem Brett! So etwas hatte ich noch nie zu- vor gespielt. Monate später ging ich in den kleinen örtlichen Supermarkt, um ein Spiel zu kaufen – irgendein Spiel –, und fand nur eines. Es war mit dem Logo „Spiel des Jahres“ gekennzeichnet. So entdeckte ich Carcassonne und wurde in diese Welt hineingesogen. In den folgen- den zwei Jahren stürzte ich mich in diese neue Welt, ich spielte mit dem Gedanken, mein eigenes Spiel zu entwerfen. Ende 2003 hatte ich ein paar Prototypen fer- tig, die schon nach etwas aussahen.
Was passierte dann?
Ich reichte 2003 ein Spiel für den Auto- renwettbewerb in Boulogne-Billancourt ein und wurde direkt für die Endrunde ausgewählt – aber nicht prämiert. Ich ging trotzdem zur Preisverleihung, traf dort Serge Laget und Bruno Cathala
sowie Manuel Rozoy. Von da an
nahm alles seinen Lauf.
Was meinst du damit?
Im Jahr 2004 bewarb ich mich erneut und erhielt diesmal den Zuschlag für den Prototyp, der schließlich zu Yspahan wurde. Dann wollte das Schweizer Spiel- museum einen Workshop übers Spiele- erfinden veranstalten. Malcolm und ich luden dazu Bruno Cathala ein. So kamen wir uns näher. Im Jahr 2005 wurde ich zu Bruno Faiduttis Treffen in Frankreich eingeladen, was mir die gesamte franzö- sische Spieleszene eröffnete. Dort traf ich Jens-Peter Schliemann, der mir von der Spiele-Autoren-Zunft erzählte und mir empfahl, meine Prototypen auf dem Au- torentreffen in Göttingen zu zeigen und mich um ein Stipendium zu bewerben. Das habe ich getan – und es prompt ge- wonnen. Dadurch lernte ich die deutsche Szene kennen. Im selben Jahr bewarb ich mich mit mehreren Spielen erneut für den Boulogne-Wettbewerb, von denen drei in die Endauswahl kamen. Wieder wurde eines ausgezeichnet: „Oklahoma“, das spätere Metropolys.
Was passierte damals noch?
Wir organisierten das erste Schweizer Au- torentreffen. Der Gründer und CEO einer Schweizer Versicherungsgesellschaft wur- de auf die Veranstaltung aufmerksam und schickte einen seiner Direktoren, um mich zu treffen. Das führte erstens zu zwei Auftragspielen – Animalia und Ja- maica – und zweitens zur Gründung von GameWorks. Insgesamt haben wir ein Dutzend Spiele veröffentlicht, von denen aber nur noch Jaipur und Jamaica erhält- lich sind.
Welche Art von Spielen spielst du gern?
Jedes neue Spiel, denn ich bin unermüd- lich auf der Suche nach einer neuen Idee oder einem neuen Ansatz. Ich spiele aber eher mittelschwere Spiele, 30- bis 90-Mi- nüter mit einem schönen Spannungsbo- gen. Ab einem gewissen Komplexitäts- grad ist es mir einfach zu viel Arbeit und macht nicht genug Spaß.
Mehr Regeln und mehr Komplexität be- deuten in der Tat nicht zwangsläufig mehr Spaß.
Ein weiteres Problem ist, dass die Berei- che meines Gehirns, die von dieser Art Spiel aktiviert werden, fast immer die- selben sind. Da spiele ich lieber King- dom Builder, gefolgt von Heckmeck am Bratwurmeck und Rasende Roboter
    Fotos: Hardel, Pauchon, Space Cowboys/BoardgameShot Mateusz Zajda, Whitehill











































































   38   39   40   41   42