Page 8 - Spielbox 05/17 Deutsch
P. 8

KRITIK
Wettlauf nach El Dorado
Laufen oder kaufen?
Ein Mann. Eine Machete. Und ziemlich viel Knete. Es ist die bewährte Geschich- te, die Wettlauf nach El Dorado da erzählt. Absolut folgerichtig, die Spieler hierbei auf bewährten Dschungelpfaden wandeln zu lassen. Fährtenlesern gleich checken wir Weg und Widrigkeiten und optimieren unseren Reisetrupp. Noch unterwegs fliegen wir neue Spezialisten ein; alte Wegbegleiter, die ihren Zenit leider überschritten haben, werfen wir raus. Im realen Leben würde man das Treulosigkeit nennen. Im Brettspiel heißt es euphemistisch: Deckbau.
Dauerläufer per Schlussspurt genial zu widerlegen.
Wer so spielen will, sollte lange und verzwickte Strecken auslegen. Die neun beidseitig verwendbaren Geländetafeln bieten dazu diverse Möglichkeiten. Kurze Distanzen jedoch bedeuten kurze Partien. Und bevor sich die stärkeren Karten da wesentlich auswirken, dürfte es mit dem schwächeren Blatt schon zum Zieleinlauf gereicht haben. Was nicht heißen soll,
dass Zukauf generell sinnlos wäre. Um Dschungelfelder zu
betreten, die mehre- re Symbole zeigen, benötigen die Aben- teurer Karten, die sie zu Spielbeginn nicht besitzen. Allein mit dem Startblatt kommt man zwar auch irgend- wie ins Ziel, oft aber mit
erheblichen Umwegen. Die Geländetafeln zeigen vor allem grüne, gelbe und blaue Sechseck-Felder. Grün (Wald) kommt am häufigs- ten vor, was daran liegen dürfte, dass wir uns im Dschungel befinden. Um die eigene Figur aufs Nach- barfeld zu ziehen, muss man eine Handkarte der entspre- chenden Farbe spielen. Und sie muss mindestens dem Feldwert entsprechen. Wich- tige Regel dabei: Karten werden nicht addiert. Für ein Feld, das drei Macheten erfordert, genügen eben nicht drei grüne Einser-For- scher, die mit ihren blechernen Butter- streichern wedeln. Nein, da muss schon der Entde- cker mit dem gro- ßen gefährlichen
Buschmesser auf den Tisch. Entsprechendes gilt für die anderen Farben. Blaues Gewässer kommt zwar nur selten vor, kann eine Expedition aber be- sonders extralange bremsen, da es auch nur wenige blaue Karten gibt. Und gelbe Karten haben eine Doppelfunktion: Ei- nerseits, natürlich, ermöglichen nur sie
Reiner Knizia wurde in der Vergangen-
heit vorgeworfen, sei-
ne Mechanismen mannigfach zu variie- ren. Mit Wettlauf nach
El Dorado zeigt er’s den Nörglern mal so richtig und variiert keck den Mechanismus eines anderen. Das kann man natürlich ebenso bekrit- teln, müsste dann aber konsequenterweise auch auf Spielen herumhacken wie Great Western Trail, Valletta, Das Grimoire des Wahnsinns, Century - Die Gewürzstraße, die dassel- be tun. Doch dafür gibt es keinen Grund. Deckbau ist einer der aktuell coolsten Mechanismen, sein spiele- rischer Reiz ist beileibe nicht ausgekostet. Des- halb bitte so weiterma- chen!
I Irgendwie
ins Ziel
Sowieso ist Wettlauf
nach El Dorado nur
hintergründig
Deckbau und vorder-
gründig – siehe Titel
– ein Wettlauf. Nicht
jeder will das gleich
wahrhaben. Oft las-
sen die Aktivitäten der Dschungelsprin- ter arg unterschiedliche Auffassungen über die erforderliche Bewegungsintensi- tät erkennen. Vor allem auf den kürzeren und für Einsteiger vorgesehenen Strecken gilt: Laufen ist meist besser als kaufen. Die Erkenntnis, dass es bei einem Rennen durchaus behände vorangehen darf,
kommt für den gesunden Menschenver- stand gar nicht so überraschend. Für den Deckbauverstand allerdings schon. Als versierter Spieler wünscht man sich Raffi- nesse. Man möchte taktisch trödeln dür- fen, derweil das Blatt aufwerten und ver- feinern, um die vermeintlich dummen
6
spielbox


































































































   6   7   8   9   10