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      SPIELMITTEL KINDERSPIELE VON EXPERTEN GETESTET Alles zum Thema Spiele auf: www.spielbox.de
         fühlsame Entscheidungen, wenn Kinder auf die Suche nach einer „beschei- denen Flussbewohnerin“ oder einem „verträumten Schüler“ gehen. Punkte treten in den Hintergrund bei dieser kre- ativen Gestaltung von Geschichten. Die Jury zeigte sich begeistert über die „in- novative Idee“, so etwas habe man in den Jahren davor noch nie gesehen. Wilfried Fort ging dann kurz auf die gut zwei- bis dreijährige Spielentwicklung ein, die der russische Verlag Lifestyle perfekt umgesetzt hat. Der Verlag, der übrigens im letzten Jahr mit „Speedy Roll“ gewann.
Wer kennt sie nicht, die Mix-Max- Klappbücher, die die witzigsten Tierfi- guren entstehen lassen. Antoine Bauza und Corentin Lebrat, die zuletzt „Drafto- saurus“ gemeinsam entwickelt haben, arbeiten ermittlungstechnisch mit einer solchen Klapp-Akte, die sich gut eignet, ein Phantombild des Täters zu erstellen, weil Kopfbedeckung, Brillengläser, Bart und Fliege recht unverwechselbar aus- sehen. Der einfache Klappmechanis- mus in dem Ermittlungsringbuch lässt Kombination mit 625 verschiedenen Gaunern zu, und jedes Mal stellt sich die Frage in „Mia London“, wer hat diesmal das furchtbare Verbrechen be- gangen? Raffiniert geregelt sind die mnemotechnischen Anforderungen, die sich vom Kopf bis zum Hals steigern. „Mia London“ schärfe in kompakter Spieldauer den Blick fürs Detail und halte in jeder Partie die Spannung bis zum Ende offen, meint Juror Stefan Gohlisch. Das Verbrechen habe viele Gesichter. Der Spielspaß auch. Wie
schwer es ist, gegen die Gedächtnis- stärke von Kindern anzukommen, be- stätigten auch die beiden Autoren.
Die Kinder bauen in „Dragomino“ kein Königreich auf, sondern sind auf der Suche nach Drachenbabys. Wie bei „Kingdomino“ legen sie Landschafts- karten an, die sie dabei aus vier Kärt- chen auswählen. Wüste, Vulkanland- schaft, Wald und Berge müssen nicht zusammenpassen, sollten sie aber, denn immer, wenn identische Land- schaftsflächen aneinanderstoßen, wer- den die Kinder mit einem Drachenei be- lohnt. Je nach Landschaft sind die Drachen unterschiedlich fruchtbar. Die Landschaftsentwicklung mit Eiersuche kommt gut bei der Zielgruppe an. Grundschulkinder verstehen durchaus etwas von den Wahrscheinlichkeiten und greifen daher schon lieber zum Vul- kangebiet, während die Wüste links lie- gen bleibt.
Zum entscheidenden Moment, als mit einem Trommelwirbel begleitet die Ge- winnerrakete startete, waren alle Inter- viewpartner live zugeschaltet, sodass man die Freude des Autorenpärchens und Bruno Cathalas miterleben durfte und damit vielleicht auch den Start eines erfolgreichen Autoren-Trios. Sie lebten zwar recht weit in Frankreich auseinan- der, aber Cathala würde sich über weitere gemeinsame Projekte freuen. Riesig er- freut zeigte sich auch Klaus Ottmaier über das Triple, verantwortlicher Redakteur bei Pegasus. Er sieht diese Auszeichnung als Bestätigung der Arbeit an der Kinder- spielsparte, die es erst seit einigen Jahren bei dem Friedberger Verlag gibt.
In einem anschließenden Kurzinter- view gesteht mir der Sprecher der Kin- derjury, dass die vielen Triple-Möglich- keiten den Juroren selbst erst gut eine Woche später aufgefallen seien, es sei aber schon eine noch nie dagewesene spannende Konstellation gewesen. Die französische Dominanz erklärt Schlewin- ski aus der Tatsache heraus, dass viele deutsche Verlage ihre Kinderprogramme zurückgefahren und eher ihre Klassiker betont hätten. Das sei bei französischen Verlagen anders gewesen, daher sei ihr Anteil so hoch wie noch nie.
Dass der Schwerpunkt der nomi- nierten und empfohlenen Spiele mit der Altersempfehlung ab fünf Jahren liege, erklärt Schlewinski in der bewussten Setzung auf die Kinderorientierung, die sich deutlich vom Familienspiel abgren- ze. „Unser Preis ist etwas für Kinder, und das wollen wir betonen. In der Ver- gangenheit hatten wir immer einmal wieder Spiele nominiert, die hart an der Grenze zum Familienspiel waren, das haben wir in diesem und auch schon letzten Jahr bewusst vermieden.“
Diese bewusste Trennung wird dem Kinderspielpreis guttun, manchmal wünschte man sie sich auch eindeutiger zwischen Spiel und Kennerspiel des Jah- res. Für 2022 geht Schlewinski wieder von einer öffentlichen Live-Veranstaltung aus, auch das braucht dieser Preis, denn dann stehen die wieder im Vordergrund, um die es hauptsächlich geht: die Kinder.
Wieland Herold
www.spiel-des-jahres.de
   „Dragomino“ sei ein „tolles Gesamt- paket“ meint Gohlisch, Glück und Über- legung halten sich die Waage. Bruno Cathala, der unter Einbeziehung des Sonderpreises „Fantastisches Spiel“ 2005 für „Schatten über Camelot“ ähn- lich wie Bauza die Chance auf die dritte Auszeichnungskategorie besaß, hatte sich gar nicht viel ausgerechnet und zeigte sich schon sehr glücklich über die Nominierung. Er selbst eigne sich eher für die komplizierteren Spiele, des- halb sei er froh, die besten Experten für Kinderspiele, Marie und Wilfried Fort, für seine Kinderspieladaption gewon- nen zu haben.
    Gewinner, Nominierte und die Liste aller empfohlenen Spiele auf der „Spiel des Jahres“-Homepage:
2391 | SPIELMITTEL 53/202114





















































































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