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Aktuell. Krieg in der Ukraine
  „Wir sollten nicht die russischen Spieleschaffenden verdammen“
Von CHRISTWART CONRAD
Wie ist Ihr Eindruck nach Gesprächen mit russischen Verlagen? Wie gehen die Beteiligten mit der Situation um? Frank Noack: Sie sind schockiert – und können eigentlich nur abwarten, was pas- siert.
Inwieweit verändern sich durch den Krieg Ihre Beziehungen zum Beispiel zum Verlag Hobby World?
Ich kenne viele Leute beim Verlag persön- lich und diese persönlichen Beziehungen ändern sich auch nicht. Ich betrachte sie auch weiterhin als Freunde. Letztendlich sind sie ebenfalls Opfer der Umstände. Mit welcher Entwicklung ist Ihrer Ein- schätzung nach zu rechnen?
Es werden in absehbarer Zeit vermut- lich kaum noch Spiele aus Russland auf Deutsch lokalisiert werden. Wir haben noch einige in der Pipeline, für die die Li- zenzgebühren bereits vor Kriegsausbruch
Frank Noack, der sowohl Spiele aus Russland lokalisiert als auch die seiner Verlage dorthin lizenziert, hat unter an-
jeher mit Zollschranken belegt, sodass meist Lizenzen gehandelt werden oder erst gar nicht in Russland für den deut- schen Markt produziert wird.
Wie wirken sich Beschränkungen der Geldströme aus?
Praktisch eigentlich nur für Privatleute. Unternehmen haben oft ausländische Dependancen oder wickeln ihre Geschäf- te über die nicht sanktionierten Banken ab.
Was passiert mit vertraglichen Verein- barungen?
Sie bleiben bestehen. Wir haben zum Glück keine, die regelmäßige Abnahme- verpflichtungen enthalten.
Gibt es bestimmte Spiele, die jetzt aus dem Programm entfernt werden?
Ich weiß von keinem Spiel, das deswe- gen aktiv aus dem Programm genommen wird. Ich kann mir aber vorstellen, dass Nachproduktionen aufgeschoben werden und sie dadurch aus den Regalen ver-
 geflossen sind. Diese Titel werden wir um- setzen, da das auch keinerlei finanzielle Auswirkungen mehr auf russische Steuer- einnahmen hat. Allerdings werden bei uns auf absehbare Zeit keine Nachpro- duktionen oder neuen Spiele mehr kom- men, wenn deren Bezahlung in Russland zu Steuereinnahmen führen würde. Auch wenn ich es den Verlagen und den Leuten dort selbst natürlich gönnen würde.
Gibt es weitere Konsequenzen?
Es gibt einige Länder, in denen „die Rus- sen“ und „die russische Regierung“ nicht so differenziert wie bei uns in Deutsch- land betrachtet werden. Vermutlich wird die Reputation russischer Unternehmen
derem mit seinen Partnern in Russland geredet. Alle seien recht schockiert, fasst er die Gespräche zusammen. Tatsächlich gibt es in den russischen Verlagen häu- fig auch ukrainische Angestellte. Auf seinen Vorschlag, diese besonderen Um- stände transparent zu kommunizieren, um weitere, längst geplante Projekte fortführen zu können, ist (bislang) kein Verlag eingegangen.
dort auf lange Sicht schaden nehmen, selbst wenn der Krieg jetzt sofort vorbei wäre.
Was ist mit Importen und Exporten? Die haben nach und von Russland aus bisher eigentlich keine große Rolle ge- spielt. Der Handel mit Russland ist von
schwinden.
Können wir Spieler und Branchenange- hörige etwas für den Frieden tun?
Ich denke, es ist wichtig, dass wir nicht die russischen Spieleschaffenden ver- dammen. Ich kenne da niemanden, der den Krieg guthieße. Dennoch müssen wir uns im Klaren darüber sein, dass wir die russische Kriegsmaschinerie unterstützen, wenn wir in Russland für Steuereinnah- men sorgen. Daher werden wir das bis zum Ende dieses Krieges auch vermeiden und nichts nachproduzieren oder neu auf den deutschsprachigen Markt bringen, was bis dahin dort zu Steuereinnahmen führt.
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 Obwohl Repressalien drohen, wenn man sich in Russland zum Über- fall auf die Ukraine äußert, haben die
Macher des Verlags Hobby World das am 4. März um 18.33 Uhr auf Facebook getan: „In diesem Augenblick ist es äu- ßerst schwierig, die richtigen Worte zu finden, aber wir können in der gegen- wärtigen Situation nicht schweigen.
Was jetzt geschieht, lässt sich unmöglich mit unserem Verstand erfassen. Wir sind Zeugen einer wahren Tragödie. Das Team von Hobby World appelliert, alle Kon- flikte ausschließlich auf diplomatischem Wege zu lösen und ruft dazu auf, auf dem schnellstmöglichen Weg Frieden zu schaf- fen. Es hat keinen Sinn, triviale Klischees auszusprechen, dass alle Menschen in
Frieden leben sollten und dass jedes Men- schenleben unbezahlbar ist. Aber das ist heute unsere Realität, und das ist die Bot- schaft, die aus allen Richtungen zu hören sein müsste.
Jedes Jahr entwickeln, lokalisieren und veröffentlichen wir Brettspiele, die imagi- näre Schlachten und Konflikte zwischen Spielern beinhalten. Aber in echten
„Schlachten gehören nur auf
    Fotos: Conrad



































































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