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 Hoffmanns Heimspiel
Nach innen ist Party
 „Ist bei euch alles in Ordnung?“, erkundigte sich Frank vorsichtig. „Wieso sollte es nicht?“, fragte ich zurück.
„Ich bin gestern Abend beim Spazierengehen bei euch vorbeigekommen, und, na ja ... auf dem Rückweg saßt ihr immer noch am Tisch und saht unheimlich sorgenvoll aus.“
Gut, auch wenn die Tage langsam wieder heller werden, muss man bei einem Abend im Zoo mit Arche Nova doch irgend- wann das Licht einschalten. Und wer abends im beleuchteten Wohnzimmer im Erdgeschoss am Tisch sitzt, könnte auch auf einer Bühne stehen. Die Leute gucken halt durch die Fenster herein. Ich mache das auch total gern bei anderen – und rege mich nur auf, wenn das jemand bei uns tut. Frank allerdings darf das. Er wohnt um die Ecke, ist unser Freund. Und wenn er sich Sorgen macht, ist das willkommene Anteilnahme.
Bei uns Brettspielern ist die Freude oft eher ein wenig,
sagen wir: nach innen gekehrt. Ein wirklich großartiger
Abend kann bei uns so aussehen: Drei bis vier Leute sitzen
in Schlabberhosen, Hausschuhen und gemütlichen Pullis mit sorgenvoll gerunzelten Stirnen um einen Tisch herum, die Apfelschorle sorgsam auf saugfähigen Untersetzern geparkt, starren auf eine große bunte Pappe, ein paar Holzfigürchen und ein paar Spielkarten und geben für Außenstehende etwas kryptische Äußerungen in ruhigem Tonfall von sich, so etwas wie: „Meine Tigerpython verpasst dir einen Würgen-Marker, und ich werde sieben attraktiver“ oder „Ich suche nach Leben. Mist, das sind nur Kartoffeln. Na ja. Geb ich halt noch zwei Schweber für einen Venuspunkt ab.“
Ab und zu unterdrücken sie ein paar Flüche, rechnen irgendwas oder murmeln Unverständliches vor sich hin. Zum Schluss sieht einer still glücklich aus, und alle anderen lehnen sich seufzend zurück – aber alle haben das Gefühl, es sei ein herrliches Zusammensein gewesen, das lang in Erinnerung bleibt und dringend nach baldiger Wiederholung verlangt. Wir sehen vielleicht nicht immer so glücklich aus, wie wir sind, aber das ist allemal besser als umgekehrt. Und was soll ich dir sagen, Frank: Hausschuhe sind einfach bequemer als High Heels. Wir müssen keinem mehr was beweisen. Und ja: Es geht uns wirklich gut.
Text: Maren Hoffmann•Illustration: Anna Breitling-Stenner
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llerdings ist er kein Spieler und kann deshalb nur schwer nachvollziehen, wie, nun ja: anders unser Leben ist. Bei normalen Leuten sieht ein Abend, der als großartig in Erinnerung bleibt, in der Regel
am ehesten so aus: Gut gekleidete Leute tanzen in eleganten Schuhen zu flirrender Musik, sind ausgelassen, man stößt mit klingenden Gläsern an und lacht, wenn dabei etwas Champagner überschwappt. Alle rennen durcheinander und reden die ganze Zeit. Man versteht zwar nur die Hälfte, aber das macht gar nichts, weil sich alle so prächtig amüsieren.





















































































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