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7 Spiele des Lebens. Hanno Girke
    Diplomatie & Magie
Lieblingsspiele? Klar, hat jeder. Meist, seien wir einmal ehrlich, unterliegt das, was wir gern spielen, ganz unromantisch der Konjunktur. Es ist der Reiz des Neuen, den viele
erleben wollen. Doch dann kommt der nächste
Titel. Wer kennt das nicht? Aber wir wollen wissen: Was sind die Spiele des Lebens? Mit welchen
sind Geschichten verbunden? Welche haben die Leidenschaft für Spiele stets weiterlodern lassen? Welche waren für Sie inspirierend, haben wir Hanno Girke gefragt, den Chef von Lookout Spiele.
1Wenn ich an meine frühe Kindheit zurückdenke, kommt mir Hum- melchen von Pelikan in den Sinn. Es gab mehrere Wege, auf denen man sich hochwürfeln konnte. Ich musste mich also entschei-
den, ob ich weiter entfernte Äste wähle, um anderen auszuweichen. Es war mein erstes komplexes Kinderspiel.
2Ich war früh von Risiko fasziniert. Aber in erster Linie wegen des inakkuraten Spiel- plans. Ich habe deswegen meine eigene Karte gestaltet, mit doppelt so vielen Län- dern. Die Spielkarten habe ich mit Tierstempeln gemacht – ich hatte ja keine mit
Kanonen oder Reitern drauf. Und es hat mich damals einige blaue Filzstifte gekostet, um den A2-großen Plan mit der Hand zu kolorieren.
3Richtig geprägt hat mich Diplomacy. Es muss in den frühen 80er-Jahren gewesen sein. Ich war krank, und meine Mutter hatte mir die Zeitschrift „Spiel“ mitgebracht. Darin stand ein langer Artikel von Walter Luc Haas über Diplomacy. Danach hing ich an der Angel, habe mir die 70 Mark dafür zusammengespart. Auch wenn es absolut illusorisch war, sieben Leute für eine Partie zu finden. Die Suche nach Gleichgesinnten hat mich schließlich in die Welt der Postspiele geführt, in der ich auch Spielleiter einer Runde war. Einer meiner Mitspieler damals war übrigens ein gewisser Uwe Rosenberg. Später habe ich ein eigenes Postspielmagazin herausgegeben. Am stärksten hat mich das Fußballspiel United begeistert. Ich habe über Jahrzehnte viele Mannschaften ge- managt. Leider sind die Partien nach und nach eingestellt worden, zuletzt hat Michael
Schröpl vor rund einem Jahr als Spiel- leiter aufgehört. Der Abschied von mei- nem letzten verbliebenem Team hat mich schon melancholisch gestimmt.
4Ich habe mit
Uwe Rosen-
berg studiert,
ich habe in der
Zeit bestimmt circa
37000 Testpartien
mit ihm absolviert.
Und mit einer Boh- nanza-Erweiterung
begann die Geschichte von Lookout. Die Gleichung geht so: Ohne Bohnanza kein High Bohn. Und ohne High Bohn kein Lookout.
5In der Pöppel-Revue hatte ich etwas über ein Kartenspiel namens Magic gelesen. Der Artikel hatte mich recht
früh dazu gebracht, in diese Welt ein- zusteigen – auch auf der Meta-Ebene. Ich war der erste Deutsche, der auf der Magic-Mailingliste stand. Als dann eine
deutsche Auflage angekündigt wurde, wollte ich mich einbrin- gen. Mit dem Ergebnis, dass ich 18 Jahre für die deutsche Ausga- be verantwortlich war und auch zweieinhalb Jahre in Seattle bei Wizards of the Coast gearbeitet habe. Da habe ich alles über
Spiele und Marketing gelernt.
6Ich bin großer 1830-Fan. Diese Art von Spiel bietet in meinen Augen die bestmög-
liche Art der Herausforderung: Ich muss Märkte erkennen, sehen, wo es etwas zu optimieren gilt, ich muss auf meine Mitspieler reagieren. 18xx spiele ich nicht, um zu gewinnen, sondern um Erfahrungen zu sammeln.
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oft Tarock gespielt. Mit Freude habe ich entdeckt, dass es in der Board Game Arena eine große Fan-Gemeinde gibt. Ta- rock verbinde ich vor allem mit einem Wohlfühlabend, abends auf der Hütte, weil es eine wunderbar schnörkellose Sa- che ist. Und ich sammle auch ungewöhn- liche Kartenspiele. Angefangen habe ich damit in einem Ski-Urlaub in Südtirol. Ich kaufte italienische Blätter, aus Piacenza, aus Triest, aus Neapel . . .
 Hanno Girke ist neben Alexis Desplats Geschäftsführer von Lookout Spiele. Er studierte in Dortmund Statistik, arbeitete auch mal als Kundenberater für ein Softwareentwicklungsstudio und war auch mal Lehrer.
 Wenn ich an Spieleabende mit der
Familie zurückdenke, haben wir sehr
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  Protokoll: Andreas Becker / Fotos: Becker, Göldenitz

































































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