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PORTRÄT
Laura Grundmann, Oink Games Europa
Klein wie eine japanische Wohnung
Oink-Spiele fallen deshalb auf, weil sie in einer sehr kleinen quaderförmigen Schachtel verpackt sind, typisch japanisch, um Platz zu sparen. „Das ist kein Vor- urteil“, betont Laura Grundmann, die die Düsseldorfer Filiale des japanischen Verlags leitet. „Wenn man sich die Wohnungen in Japan anguckt, dann weiß man das. Ich habe da auf 20 Quadratmetern gewohnt“, erinnert sich die 30-Jäh- rige an ihre Japan-Aufenthalte.
Oink Games wurde vor knapp zehn Jahren von dem Designer und Spielefan Jun Sasaki gemeinsam mit zwei Freunden gegründet. Anfangs ging es in erster Li- nie um die Entwicklung von Spiele-Apps. Heute liege das Verhältnis zwischen digi- talen und analogen Spielen etwa 50:50, schätzt Grundmann. Die Zahl der Ange- stellten sei in dem nach dem englisch ausgesprochenen Schweinelaut benann- ten Unternehmen, das seinen Sitz in Tokio hat, auf 12 angewachsen.
Auf der SPIEL ’15 habe sie sich mit dem japanischen Team gut verstanden, erin- nert sie sich. Sie habe ein paar Sachen vom Messestand dabehalten, für die es sich nicht lohnte, sie zurückzuschicken. Außerdem habe sie angefangen, die englischsprachige eMail-Korrespondenz für Jun Sasaki zu erledigen. „Und ich habe die Spielregeln neu übersetzt. Es gab zwar schon welche, die von einem japanischen Büro übersetzt wurden. Die waren aber nicht verständlich. Das Deut- sche und Englische ging gar nicht“, sagt Laura Grundmann. Sie hat dann erst ein- mal selbst viele Spielanleitungen gelesen, denn wirkliche Kenntnisse hatte sie kei- ne. Ihre Erfahrungen beschränkten sich damals auf „Klassiker in der Familie und Party-Spiele im Freundeskreis“. Das hat sich inzwischen völlig geändert. „Ich habe großen Spaß daran, neue Spiele zu entde-
cken und auszuprobieren.“ Dass aus ihrem Engage- ment für Oink Games mal mehr werde, konnte sie sich ursprünglich nicht vorstellen. Grundmann hatte ihren Master gerade abgeschlossen und sich drauf eingestellt, haupt- beruflich als Deutschleh- rerin für Japaner zu ar- beiten, als Sasaki anrief. „Wahrscheinlich wirst du nein sagen: Hättest du nicht Lust, unsere euro- päische Zweigstelle zu leiten?“, habe er gefragt, erinnert sich Grundmann. Dieses Angebot hatte sie sehr überrascht. „Er hatte mich nur einmal in Essen gesehen.“ Außerdem habe sie etwas völlig anderes studiert und von Wirt-
AKTUELL
Twixt-Fehlstart auf Kickstarter
Copyright vs. Urheberrecht
Alex Randolph, 1922 in Böhmen geborener US-Amerikaner, schuf 1957 das taktische Zwei-Personen-Spiel Twixt. Dass Randolph da- mals in Österreich lebte, sollte mehr als ein halbes Jahrhundert später juristische Relevanz bekommen. Zunächst erschien Twixt 1962 im US-amerikanischen Unternehmen 3M und wurde ein der- art großer kommerzieller Erfolg, dass der Autor einige Jahre vom Honorar leben konnte.
Mit 17 verbrachte sie im Rahmen eines Schüleraustausches ihr erstes Jahr in dem fernöstli-
chen Land. Den Entschluss hatte sie schon Jahre vorher gefasst, Pokémon hatte ihr Interesse an Japan geweckt. „Ich war auf- geschmissen, trotz eines Sprachkurses an der VHS“, erinnert sich Grundmann an die erste Zeit in dem fremden Land, wo sie eine normale Schule besuchte. „Zuerst habe ich nur im Englischunterricht mit- gemacht, und in Mathe, soweit es ging.“ Erst nach einem halben Jahr konnte sie auch an den anderen Unterrichtsfächern teilnehmen.
I Einstieg als
Dolmetscherin
Zurück an ihrem heimatlichen Gymna-
sium in Dortmund machte sie ihr Abitur
und studierte „Modernes Japan“ in Düs- seldorf. Zwischen Bachelor und Master verbrachte sie erneut ein komplettes Jahr in Japan, diesmal mit Work and Travel. Damals arbeitete sie am Goethe-Institut in Osaka das erste Mal als Deutschlehre- rin für Japaner, was sie anschließend an einer privaten Schule in Düsseldorf fort- setzte.
Der erste Kontakt mit Oink Games ent- stand 2015, als der Verlag für die Esse- ner Messe eine Dolmetscherin benötigte. „Nach Essen reist jedes Jahr die gesamte Belegschaft, wie zu einem Betriebsaus- flug“, hat Laura Grundmann beobachtet. Da die meisten Oink-Mitarbeiter kaum Englisch können, ist sie auf dem Messe- stand zwischen den Tischen immer hin und her gelaufen, um bei den Regelerklä- rungen zu helfen.
S
päter folgten Veröffentlichungen bei weiteren Verlagen, u. a. Avalon Hill (1976) und Kosmos (1998).
Erben abgeschlossen zu haben.
Dolezal sieht das US-Copyright und die Berner Übereinkunft auf seiner Seite, während sei- ne Kritiker sich auf konti- nentaleuropäisches Urhe- berrecht und ebenfalls auf die Berner Übereinkunft berufen, sowie auf „mora- lisches Recht“ – was juris- tisch zwar ohne Belang ist, aber in der Branche und der Szene durchaus von Gewicht.
Wayne Dolezal vertritt den Standpunkt, Alex Randolph habe gemäß US-Copyright als 3M-Mitarbeiter diesem Unternehmen automatisch alle Eigentumsrechte an Twixt übertragen, sodass er selbst gar kei- ne Rechte mehr vererben konnte. Denn das US-Copyright schützte – zumindest bis in die 1980er Jahre – weniger den Autor, sondern den Erstveröffentlicher eines Werkes, zumeist also das Unter- nehmen. Da Alex Randolph „lediglich“ das Regelkonzept entworfen habe, sei er nie Rechteinhaber des veröffentlichten Spiels gewesen.
1989 änderten die USA ihre Copy- right-Gesetze und traten der Berner Übereinkunft bei. Für den Fortbestand des US-Copyrights hätte 3M (bzw. Ava- lon Hill) nach Ansicht Dolezals 1990 die Registrierung erneuern müssen (gemäß einer US-Sonderbestimmung für vor 1964 erschienene Werke). Da dies aus man- gelndem wirtschaftlichen Interesse des Verlages unterblieben war, sei Twixt („die gedruckten Regeln und das Spielbrett-De- sign“) seit 1990 gemeinfrei.
Auf Grundlage dieses von ihm ausge- machten Schlupflochs startete Dolezal Mitte Juni 2018 die Wiederauflage von
Danach war das Spiel lange Zeit vor al- lem gebraucht erhältlich. Kein Verlag legte den einstmals so erfolgreichen, aber doch in die Jahre gekommenen Klassiker neu auf.
Mit dem Tod Randolphs im Jahre 2004 gingen die Twixt-Rechte auf seine Erben über: Gemäß österreichischem Recht und der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst hält sein Neffe, der US-Bürger Michael Katz, seit 2013 die Urheberrechte an Twixt – zumindest in den Staaten, deren Schutz geistigen Eigentums sich am kontinental- europäischen Recht orientiert.
Im eigenen Land jedoch wird diese Rechtsposition ausgerechnet von einem glühenden Verehrer des Spiels attackiert: Der Texaner Wayne Dolezal startet gera- de den zweiten Versuch, Twixt in seinem in Houston beheimateten Verlag Lil’ Ce- rebral Games neu aufzulegen, ohne zuvor einen Vertrag mit dem
Twixt als Kickstarter-Projekt. Nur zwei Wo- chen später brach er die Kampagne ab, weil die europäischen Unterstützer durch „Verleumdungen“ verunsichert worden seien, denen zufolge das Spiel zumindest im kontinentaleuropäischen Rechtsraum nicht legal vertrieben werden könne.
Die rechtliche Situation war zwar vor- her schon ausgiebig öffentlich diskutiert worden. Wayne Dolezal hatte aber wohl nicht damit gerechnet, dass das Kickstar- ter-Projekt von seinen Gegnern durch kleine Beträge „unterstützt“ würde, um es auch direkt auf dieser Plattform mit kriti- schen Kommentaren versehen zu können. Insbesondere die ausführlichen Hinweise auf das kontinentaleuropäische Urheber- recht hatte Wayne ignoriert.
I Urheber kann nicht auf seine Rechte verzichten Denn während es beim amerikanischen
Copyright vor allem um die wirtschaftli- che Verwertung geht, ist das europäische Urheberrecht ein Persönlichkeitsrecht, das den Urheber und sein Werk schützt, z.B. gegen unerlaubte Nutzung, Bearbeitung, Entstellung und eben auch wirtschaft- liche Ausbeutung. Folgerichtig beginnt der Schutz nicht erst mit der Veröffent-
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Schachtelrückseite der Ausgabe von 1962: Gepflegtes Denkspielambiente
Leseproben aus spielbox 4/2018 bzw. 5/2018
Leseproben aus spielbox 2/2018
SPIELELEMENTE DER NEUZEIT Spielende
Abgerechnet wird zum Schluss
KINDERSPIELE
Emojito!
E ine heulende Zwiebel, eine quietsch- vergnügte Ente und ein Schaf, das recht dumm aus der Wolle guckt –
diese und andere Zeitgenossen bevölkern die Karten von Emojito von Urtis Šulinskas. In jeder Runde steht ein Tier, Fabelwesen oder Gegenstand mit überspitztem Ge- fühlsleben im Vordergrund.
Wer an der Reihe ist, zieht eine Emoti- onskarte und muss möglichst treffsicher deren Held imitieren. Je nach Stand des eigenen Markers auf dem Plan erfolgt die Darstellung mit Mimik, Geräuschen oder beidem. Mit sechs weiteren Karten ver- mischt wird die gesuchte Emotion im An- schluss ausgelegt. Nun sind die anderen dran – je nach Variante alle gemeinsam, jeder für sich oder ein Team gegen das andere. War das eher ein ratloser Blick oder ein genervter? Ein zorniges Grunzen oder ein verächtliches? Wer auf das richti- ge Gefühl tippt, darf vorrücken.
Hinter den harmlos und niedlich er- scheinenden Illustrationen ist Emojito durchaus eine harte Nuss. Zwar lernen schon Kleinkinder, ihren eigenen Gesichts-
ausdruck zu steuern und die Mimik ihrer Mitmenschen zu deuten. Aber die feine Nuanciertheit, die Emojito bei der Darstel- lung und Erkennung von Gefühlen erfor- dert, verlangt selbst Grundschülern eini- ges ab. Die großartigen Bilder mit zahlrei- chen Details und ironischen Anspielungen sorgen dafür, dass das Frustlevel nicht zu hoch steigt und die Kinder trotz unweiger- licher Fehlschläge am Ball bleiben. Einmal zu schauen wie ein schreckhaftes Schreck-
gespenst oder zu grummeln wie ein mürri- scher Alien ist eine Herausforderung, die so manch verborgenes Schauspieltalent zu
Gegenstand der vorigen Ausgabe dieser Kolumne war die Regelung der Zugrei- henfolge während einer Partie. Diesmal soll es darum gehen, wie deren Ende ausgestaltet sein kann, um für einen krönenden Abschluss zu sorgen.
verse Boni und weiteres Personal, das sich für zusätzliche Aktionen einsetzen lässt.
Statt einen Zielwert anzusteuern, wird häufig eine feste Anzahl Runden durch- laufen und dann geschaut, wer am wei- testen gekommen ist. Wie dies ja auch sonst gang und gäbe ist. Allerdings kann sich, wenn das Geschehen auf Konfron- tation angelegt ist, der unbefriedigende Effekt einstellen, dass in der Schlussrunde weiter hinten Sitzende noch einmal atta- ckieren können, ohne für einen sonst zu erwartenden Gegenschlag Vorsorge tref- fen zu müssen.
In Karl-Heinz Schmiels Tribun (Moskito) bleibt es den Teilnehmern überlassen, zu Beginn durch Wahl einer entsprechenden Karte das Ende und damit die Dauer der Partie selbst zu bestimmen. Dies auf die Festlegung eines zeitli- chen Rahmen zu reduzieren, wie beim 1960 im Otto Maier Verlag erschienenen Öl für uns alle von Tord Hasselquist geschehen, erscheint dagegen problema- tisch. Einfach zu groß die Versuchung für den Führenden, auf Zeit zu spielen. Da- zwischen rangiert Escape from Colditz, wo einerseits als Siegbedingung für einen Alliierten die Anzahl seiner entflohenen Soldaten vereinbart wird, andererseits ihr Bewacher bloß über die ebenfalls gemein- sam festgelegte Zeit zu kommen braucht. Die Erfüllung einander widersprechen- der, nicht selten sogar alternierender
Tage fördert.
Katrin Reil
So schön es auch immer wieder ist, in ein Spiel einzutauchen und da- rüber die Zeit zu vergessen, lässt sich doch sein Ziel nicht ausblenden, über kurz oder lang beendet zu werden. Und mag auch – frei nach Konfuzius – der Weg das Ziel sein, speist sich die nötige Spannung regelmäßig aus dem Bemühen aller Teilnehmer, am Ende des Weges die Nase vorn zu haben. Was im wörtlichen Sinne gerade auf Wettrennen zutrifft, in denen mit dem
Spielende zugleich der Sieger ermit- telt wird. Dabei spannt sich der Bogen von althergebrachten Würfelspielen wie Pachisi und Backgammon bis zu heutigen
Sportsimulationen.
Wettlaufartig ausgestaltet ist das Sam-
meln von Siegpunkten beim englischen Kartenspiel Cribbage, wo auf einem Zähl- brett das Ergebnis der einzelnen Runden nachgehalten wird und die Strecke 121 Löcher misst. Fürs Brettspiel fruchtbar ge- macht hat Wolfgang Kramer diese Anzei- getechnik 1982 mit dem Promotion-Spiel Das grosse Unternehmen Erdgas. Grö- ßere Bekanntheit erlangt hat sie aller- dings erst durch sein zuerst in der Edition Perlhuhn erschienenes und dann von den Ravensburgern übernommenes Heimlich & Co. Mit ihrer wachsenden Verbreitung hat sich dafür im Laufe der Zeit leider der sprachlich unbeholfene Terminus Kra- mer-Leiste eingebürgert.
Oft werden nach Erreichen eines Ziel- werts noch Belohnungen für erfüllte Auf- gaben addiert, sodass, wer das Ende der Partie herbeigeführt hat, durchaus nicht deren Gewinner zu sein braucht. So etwa in Johannes Schmidauer-Königs Vienna. Auch können, wenn die Runde anders als
in Lewis & Clark von Cédrick Chaboussit noch beendet wird, Hintensitzende ein besseres Ergebnis erzielen, wie dies z.B. bei Vinci von Philippe Keyaerts der Fall ist.
Geradezu innovativ ausgestaltet ist der Siegpunkt-Wettlauf auf gegenläufigen Wertungsskalen. Aus der Taufe gehoben hat ihn Martin Schlegel mit Äpfel
und Birnen,
Spiel im Heft in spiel- box 2/06. Die Partie endet, sobald sich zwei der Zählsteine eines Teilnehmers begegnen. Dies geht über eine bloße Vi- sualisierung hinaus, für die es egal wäre, um welche Obstsorten man sich verstärkt bemüht hat. Denn die Punktzahl steigt je- weils nur langsam bis zu einem bestimm- ten Höchstbetrag, um danach wieder rapide abzusinken. Eine ähnliche Lösung haben jetzt Inka und Markus Brand für ihr Rajas of the Ganges gefunden. Dort war- ten auf den Wegen zu Ruhm bzw. Geld di-
Fuchs du hast das Huhn gestohlen
Emojito! (Huch! & friends) von Urtis Šulinskas; für 2–14 Kinder ab ca. 7 Jahren; Spieldauer: ca. 30 Minuten; Preis: ca. 24 €.
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eduktions- oder Geschicklich- keitsspiel? Fuchs du hast das Huhn gestohlen von Inka und
mit etwas Glück einen Tierfreund auf der Türrückseite. Alternativ befinden sich dar- auf Aufgaben, die die Folgerunde schwie- riger machen, z. B. einäugiges Öffnen.
Sobald der vierte Tierfreund aufge- deckt wird, endet die Partie. Mittels Hin- weiskarten verraten Katze & Konsorten zum Beispiel, ob der Hühnerdieb einen Schnurrbart, eine Brille oder einen Hut trägt. Alle Tipps miteinander kombiniert führen zum Schuldigen, der vor einem der Spieler ausliegt.
Die Schlüsselkette in Fuchs du hast das Huhn gestohlen hat einen hohen Auffor- derungscharakter, erfordert für sich ge- nommen auf Dauer aber nicht besonders viel Geschick – hier helfen die Zusatzauf- gaben und der durch einen Würfelmecha- nismus eingebaute Zeitfaktor.
Auch die Suche nach dem Dieb in der Deduktionsrunde finden Kinder zu- nächst einmal sehr spannend. Am Ende erschließt sich ihnen allerdings nicht immer, warum nicht zwangsläufig der Spieler mit den meisten geöffneten Tü- ren oder derjenige mit den meisten Tier- freunden auch den gesuchten Fuchs vor sich liegen hat. Diese zufällige Auflösung macht die Kombination aus Geschicklich- keit und Deduktion weniger rund, als sie
Markus Brand versammelt beide Genres unter einem Hut. Hahn Hannes vermisst eines seiner Hühner und hat 16 Füchse unter dringendem Tatverdacht. Sie alle verstecken sich hinter Türen im Schach- telunterteil. Mit einer langen silbernen Schlüsselkette können die Kinder diese aus den Angeln heben. Dahinter finden sie einen potenziellen Hühnerdieb und
RAJAS OF THE GANGES/ÄPFEL UND BIRNEN
sein sollte.
Katrin Reil
Fuchs du hast das Huhn gestohlen
(Pegasus Spiele) von Inka u. Markus Brand; für 2–4 Kinder ab ca. 5 Jah- ren; Spieldauer: ca. 15–25 Minuten; Preis: ca. 25 €.
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