Page 3 - Spielbox 05/17 Deutsch
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EDITORIAL
EBerührungsängste
– vielleicht mit Ausnahme der Teletub- bies. Bei Rise of Totalitarianism (s. S. 50) verzichtete ich dann aber doch auf eine Regellektüre in der Straßenbahn, um an- gesichts von Hitler und Mussolini plus Hakenkreuzfahnen auf dem Cover nicht unnötige Aufmerksamkeit oder gar Ap- plaus von der falschen Seite hervorzuru- fen – angesichts des Bundestagswahler- gebnisses keine völlig abwegige Befürch- tung, wenngleich eher nicht in Berlin. Der italienische Autor Luca Cammisa hat sich der politischen Lage der Zwanzigerjahre in Deutschland und Italien angenom- men. Nicht gerade das unterhaltsamste Spiel unter der Sonne, vermittelt sein Rise of Totalitarianism aber ein Gefühl für die damalige Zeit, nicht zuletzt, indem es einen mit den handelnden Personen konfrontiert. Das sind nicht nur Scheide- mann, Liebknecht oder Ebert, sondern auch Röhm, Göbbels, Hess oder Hugen- berg, vom Gröfaz und seinem italieni- schen Pendant ganz zu schweigen. Über- kommt einen auch im ersten Augenblick ein leichter Ekel, stellt sich doch bald die Erkenntnis ein, dass die Faschisten 1919 als kleine Hanswürste angefangen und auf demokratischem Wege den Fuß in die Tür bekommen haben. Gewiss kein bahn- brechender Gedanke, aber angesichts der aktuellenpolitischenLageeinwomöglich wertvoller. Fremdenfeindliche Hetzparo- len von Biedermännern in Tweedjacketts vor parlamentarischer Kulisse sind das Letzte, was die von Grund auf internati- onal eingestellte Spieleszene gebrauchen
in Kollege beschwerte sich un- technische Hardware berieseln zu lassen. längst, dass in der Planung für die- Auch Buch- und Computerspielemarkt se Ausgabe so viele Kriegsspiele zu lassen in dieser Hinsicht keine Wünsche
finden waren, die offenbar außerhalb sei- ner spielerischen Wohlfühlzone angesie- delt sind. Faktisch hat es keines davon ins Heft geschafft, doch dafür drei andere, die thematische Aufgeschlossenheit ver- langen. 13 Tage (s. S. 44) würde man auf- grund seines neutralen Titels nicht von vornherein dazu zählen. Aber ein Gutteil unserer Leser und die meisten Rezensen- ten waren schon auf der Welt, als diese während der Kubakrise am Rand des Abgrunds stand. Verleger Matthias Nagy (s.a. sb 2/17) bewegte sich bislang mit den Themen seines Verlages Frosted Games im Mainstream. Diese durch
das Spielen mit einem drohenden Atomkrieg zu ergänzen, spricht nicht von Berührungsängsten vor dem Kalten Krieg. Die inter- nationale Spielergemeinde ver- spürt derartige Regungen ohnehin kaum, wofür 28.593 BGG-Bewer- tungen von Twilight Struggle ali- as Gleichgewicht des Schreckens sprechen. Dass in Deutschland historisch begründete Vorbe- halte existieren, mag man kaum glauben, ist es doch möglich, sich 24 Stunden
am Tag mit Dokumentatio- nen über die Feldzüge der Wehrmacht oder militär-
12-99 2-4 45-75min
offen. Anders bei Brettspielen. Fortress Sewastopol vom deutschen Autor Christi- an Diedler, das zur SPIEL ’17 beim deut- schen Verlag UGG erscheint, ist die krasse Ausnahme. In diesem Spiel werden natür- lich keine Kriegsverbrechen verherrlicht – Autor und Verleger sind über jeden dies- bezüglichen Zweifel erhaben. Es schadet jedoch nichts, sich klarzumachen, dass der Vernichtungskrieg gegen die Sowjet- union in Gänze ein Verbrechen war. Sich mit derartigen Spielen nicht beschäftigen
zu wollen, ist aller Ehren wert.
Besitzt der Name Hitler im
Doku-TV offenbar eine morbide Anziehungs- kraft, stößt allein die Erwähnung des Na- mens viele Spieler ab, wie Christwart Conrad feststellen musste, der in mancher Runde das über- aus erfolgreich volksfi- nanzierte Werwolfspiel Secret Hitler (s.S. 54) wieder ungeöffnet vom Tisch nehmen musste. Mir sind solche Vorbehalte fremd, hier wird alles zumindest näher angesehen
kann.
Matthias Hardel
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